Die „erbitterten Widerstände” (dpa) der Zeitschriftenverleger gegen die Novellierung des Telefonmarketings im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sind ebenso bekannt wie die Verabschiedung des Gesetzes in der vergangenen Woche gegen diesen Widerstand.
Bei der Suche nach sinnvollen Auswegen kann ein Blick zur Rechtsprechung zugunsten der Telefonakquisition für Blindenwaren sein. Es mag zwar dem einen oder anderen widerstreben, auf eine soche Rechtsprechung zurückzugreifen. Aber die Medienhäuser müssen rechtsmethodisch fundierte Argumente ermitteln. Rechtsprechung, die Anrufe erlaubt, bietet sich nicht im Übermaß an; und die Gleichbehandlung öffentlicher Zwecke (zugunsten der Blindenwerkstätten) und der öffentlichen Zwecke zugunsten der öffentlichen Aufgabe der Medien liegt rechtsmethodisch nicht fern.
In München wird zur Zeit erneut über die Telefonwerbung für Blindenwaren gestritten. Diese Telefonwerbung wurde bislang von der Rechtsprechung als rechtlich zulässig erachtet. Hier können Sie unseren Bericht über die neueste Entscheidung, ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts München nachlesen und hier das schon früher - ebenfalls speziell zu Blindenwaren - erlassene Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs sowie hier das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, an welches der BGH damals den Rechtsstreit zurückverwiesen hat.
Alle diese Urteile stimmen darin überein, dass die Telefonakquisition (nach dem bislang geltenden UWG) rechtmäßig ist. Sie betreffen zwar Anrufe in Unternehmen; - so befasst sich das neue Urteil des Amtsgerichts München mit einem Anruf in einer Anwaltskanzlei. Aber es ist ersichtlich, dass diese Rechtsprechung wohl auch Anrufe in Haushalten befürworten würde.
Nach den nun eingeführten Definitionen zu „unzumutbaren Belästigungen” belästigen jedoch Anrufe zum Verkauf von Blindenwaren in Haushalten unzumutbar. Wie wird die Rechtsprechung dennoch ihre Intentionen durchsetzen? Und können die Medienhäuser von der demnach zu erwartenden Rechtsprechung profitieren?
Die Rechtsprechung wird, erwarten wir, für Blindenwaren auf § 3 des neuen UWG zurückgreifen. Er legt das im neu gefassten Gesetz das Verbot unlauteren Wettbewerbs fest. § 3 schränkt darauf ein, dass „nur” verboten sind: „unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen”.
Zu dieser neuen, von uns hier hervorgehobenen Gesetzesformulierung hat sich die bisherige, gegen die Verlage gerichtete Rechtsprechung naturgemäß noch nicht festgelegt; insbesondere nicht das insoweit am stärksten interessierende Urteil des OLG Koblenz und die folgenden Nicht-Annahme-Entscheidungen des BGH und des BVerfG. Diese neue Formulierung bietet eine gewisse Chance. Auszulegen ist dieses Kriterium im Spannungsfeld der relevanten Güter. Die öffentliche Aufgabe der Medien ist demnach zu berücksichtigen.
Wenn das neue Kriterium zugunsten der Blindenwerkstätten greift, erfasst es nach dem rechtsmethodischen Grundsatz der Gleichbewertung des Gleichsinnigen genauso den - durch die Pressefreiheit geschützten - Anruf der Medienhäuser zur Nachbearbeitung bei Abonnenten.
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