BGH, Beschluss vom 27. August 2019 - VI ZR 460/17, bekannt gegeben am 18.11.2019. Hervorhebungen von uns.

Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.

Vorbemerkung

Ob Marken-, Wettbewerbs- Haftungs- oder sonstiges Recht: Jeder kennt sie, die Bestätigung durch das Rechtsmittelgericht: „Der Senat schließt sich der Überzeugung des Landgerichts an, die sich dieser aufgrund der Beweisaufnahme gebildet hat.” Anschließend folgt dann häufiger der im BGH-Beschluss vom 27.8.2019 beschriebene Fehler. Nach den vom BGH zur Verletzung des rechtlichen Gehörs veröffentlichten Entscheidungen  unterläuft dieser Fehler anscheinend meist in Entscheidungen zu medizinischen Fragen. Im Markenrecht wird er öfters im Hinblick auf die Verkehrsauffassung nicht entdeckt. 

Der im Beschluss vom 27.8.2019 beurteilte Fall

Die Sachverständige [so der Vortrag der Klägerin] habe sich insoweit nicht ausreichend mit den technischen Feinheiten der funktionellen gegenüber der konventionellen Kernspintomographie auseinandergesetzt. Zum Beleg ihrer diesbezüglichen Behauptung hatte die Klägerin die Befundberichte der konventionell erstellten MRT-Aufnahme vom 27. August 2015 einerseits (Anlage K 23) und der am selben Tag erstellten Funktionsaufnahme andererseits (Anlage K 24) vorgelegt und sich zum Beweis ihrer Behauptung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen.
Diese Ausführungen hat das Berufungsgericht gehörswidrig nicht erfasst und bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Anderenfalls hätte es nicht zu der Beurteilung gelangen können, die Äußerungen der Klägerin seien nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der auf den Angaben der Sachverständigen Dr. B. beruhenden Feststellungen des Landgerichts zu erwecken. Denn es geht nicht darum, ob bereits mit den von der Klägerin vorgelegten Funktionsaufnahmen ihre Behauptung, sie habe infolge des Verkehrsunfalls einen Bandscheibenvorfall erlitten, nachgewiesen wird. Vielmehr basieren die Ausführungen der Sachverständigen und - hierauf gestützt - das landgerichtliche Urteil (auch) darauf, dass auf der nach dem Unfall gefertigten konventionellen Aufnahme vom 3. November 2009 kein Bandscheibenvorfall zu erkennen ist. Lag dies aber - wie die Klägerin vorträgt - daran, dass der bei ihr aufgetretene Bandscheibenvorfall auf konventionellen MRT-Aufnahmen nicht erkennbar abgebildet werden kann, werden die Grundlagen des Gutachtens und das darauf basierende landgerichtliche Urteil insoweit in Frage gestellt.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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