Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 7.Juli 2020, Az. 1 BvR 146/17. Heute herausgegeben.
Der Beschluss schließt an die Rechtsprechung zum „Recht auf Vergessen“ an und konkretisiert für den Fall von Verdächtigungen:

Bei ursprünglich zulässiger Berichterstattung darf grundsätzlich der Bericht auch noch nach langer Zeit unverändert öffentlich bereit gestellt werden. In Ausnahmefällen kann das Vorhalten einer ursprünglich berechtigten Verdachtsberichterstattung durch Zeitablauf oder durch zwischenzeitlich hinzugekommene Umstände für die betroffene Person zu belastend sein. Es muss somit, wie üblich, abgewogen werden. In solchen Fällen können Löschungs-, Auslistungs- oder Nachtragsansprüche angemessen sein. Ein solcher Fall war hier nicht gegeben.

Der Sachverhalt, zusammengefasst:

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des beanstandeten Presseberichts Unternehmensberater. 2007 erschien in einer englischsprachigen Tageszeitung ein Artikel, der am Beispiel des namentlich genannten Beschwerdeführers über die Rolle von Beratern bei der Beschaffung von Industrieaufträgen im Ausland berichtete. Unter anderem berichtet der Artikel von den Beschwerdeführer belastenden Aussagen leitender Siemens-Mitarbeiter, gegen die zu dem Zeitpunkt strafrechtlich ermittelt wurde. Daneben erwähnt der Bericht, dass Siemens zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen habe, dass die Staatsanwaltschaft erklärt habe, dass der Beschwerdeführer weder befragt noch beschuldigt worden sei, dass er selbst die Vorwürfe abstreite und geltend mache, dass er mehrfach erfolglos Korruptionsfälle intern angezeigt habe und dass er einem etwaigen Anruf der Staatsanwaltschaft gelassen entgegenblicke. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde nicht eröffnet. Der Artikel ist in teilweise abgeänderter Form infolge teilstattgebender Gerichtsentscheidungen weiterhin online verfügbar.
Hinsichtlich des Verdachts, der Beschwerdeführer habe für die Firma Siemens Bestechungsgelder in großem Umfang an potentielle Kunden gezahlt, wiesen die Zivilgerichte das Unterlassungsbegehren des Beschwerdeführers ab. Es habe sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung um eine zulässige Verdachtsberichterstattung gehandelt.  Der Antrag auf Ergänzung eines klarstellenden Nachtrags über die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens sei prozessual verspätet und im Übrigen unbegründet.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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