OLG Köln Urteil vom 17.12.2020, Az. 15 U 37/20, Vorinstanz: LG Köln vom 22.1.2020, Az. 28 0 193/19. Ein Musterbeispiel für richterlichen Dezisionismus bei der oft erforderlichen Abwägung zwischen Rechtsgütern, hier im Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit einerseits und Persönlichkeitsrecht andererseits.

Vor dem Landgericht Köln stieß Tina Turner - so heißt es bei Beck Aktuell - auf einen sehr verständnisvollen Vorsitzenden Richter mit Namen Dirk Eßer da Silva. Seine Meinung: Ja, es besteht hier tatsächlich eine gewisse Verwechslungsgefahr. Das Gericht wisse, wovon es spreche: „Wir kennen die Klägerin als Kammer auch selber", stellte er in der Sitzung klar. Also nicht persönlich, darf man annehmen, aber eben aus dem Fernsehen. Und ja, die falsche Tina Turner auf dem Plakat sehe der echten schon ziemlich ähnlich, fand Eßer da Silva. Jünger zwar, aber gut: Es könne ja ein altes Bild sein. Oder nachbearbeitet. Am Ende entschied das Gericht, dass das Plakat so nicht mehr verwendet werden dürfe: „Die beklagte Firma hat nicht das Recht, ein potenzielles Publikum über die Mitwirkung von Tina Turner zu täuschen."


In der Berufungsinstanz hieß - so wiederum Beck aktuell - die Vorsitzende Richterin Brigitte Richter, und die sah alles ganz anders: „Insgesamt wird man das als Kunst betrachten dürfen." Und das falle dann unter Kunstfreiheit. Während Eßer da Silva die Vorstellung, dass Tina Turner noch mal auftreten könne, keineswegs völlig abwegig fand, betrachtete Richterin Richter dies als „eher fernliegend". Schließlich sei auf dem Plakat eine junge Frau zu sehen, und man wisse ja nun doch, dass Tina Turner mittlerweile schon etwas älter sei. Berichte über ein geplantes Comeback hätten auch nicht in der Zeitung gestanden. Deshalb sei ein „persönlicher Auftritt der Klägerin" nicht zu erwarten. Klage abgewiesen.

Anmerkung

Das LG hatte auch ausgeführt:

Werbemaßnahmen für Konzerte und Musicals seien zwar grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Es kämen in diesem Fall jedoch drei Dinge zu einer besonderen Konstellation zusammen. Erstens lebe die Künstlerin Tina Turner noch, zweitens stehe ihr Name groß auf dem Plakat und drittens sei darauf auch noch ein Foto zu sehen, das zwar nicht sie zeige, aber eben ein Double. Zusammengenommen sei das zu viel, um ein solches Plakat durchgehen zu lassen.

Die Abwägung ist - so immer noch das LG - deswegen zugunsten der Namens- und Bildrechte von Tina Turner ausgefallen. „Die beklagte Firma hat nicht das Recht, ein potenzielles Publikum über die Mitwirkung von Tina Turner zu täuschen".

Wieder einmal veranschaulicht dieser Rechtsstreit die Probleme um den richterlichen Dezisionismus. Das eine Gericht wägt nach eigenem Gutdünken, wenn auch nach bestem Wissen und Gewissen so ab, das andere genau gegenteilig. Der Hamburger Richter Barschkies hatte einst zur Problematik grundsätzlich erklärt: „Nur in der Begründung wird so getan als sei das Urteil aus dem Gesetz abgeleitet." Der Münchener Vorsitzende am OLG München Prof. Seitz erklärte einst in der der NJW: „Ach der Richter ist so frei.”

 

Prof. Dr. Robert Schweizer

Prof. Dr. Robert Schweizer

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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