LG München I Urteil vom 20.10.2021, Az. 5 HK O 1687/19. Auch ein Unterlassungsanspruch scheidet im entschiedenen Fall aus.

Der Fall

Eingeklagt wurde, der Beklagte sei verpflichtet, dem klagenden Aktionär sämtliche Schäden zu ersetzen, die dem klagenden Aktionär aus vom Beklagten veranlassten Meldungen über den Inhalt eines Aktienkaufvertrages trotz Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitsverpflichtung sowie aus mehreren Äußerungen des Beklagten in Zeitschriften sowie in einer TV-Sendung entstanden seien. Begründung: Diese Meldungen, hätten den Wert der vom Kläger gehaltenen Aktien an der Aktiengesellschaft gemindert. Ferner begehrte der Kläger die Unterlassung vom Beklagten, gegenüber Organmitgliedern der Aktiengesellschaft und gegenüber Dritten zu behaupten, der Kläger schulde ihm Geld und könne nicht zahlen.

Begründung des abweisenden Urteils

Die Klage einzelner Aktionäre wegen einer Wertminderung ihrer Aktien durch ein die Gesellschaft schädigendes Ereignis auf Zahlung von Schadensersatz an sich selbst verstößt unter anderem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Auszugleichen ist der mittelbare Schaden dadurch, dass der Aktionär die Leistung an die Gesellschaft verlangt. Dem Aktionär selbst entsteht kein Schaden im Rechtssinne. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre schließt einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich in diesem Fall aus.

Der vom Kläger geltend gemachte Schaden in Form der Wertminderung seiner Beteiligung an der Aktiengesellschaft stellt einen sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden dar. Dafür, dass allein die Aktiengesellschaft geschädigt sei, spreche ebenfalls die Wertung aus weiteren Vorschriften des Aktiengesetztes. Diese Wertung veranschaulicht, dass dem Aktiengesetz die Anerkennung eines auf der Schädigung der Gesellschaft gründenden eigenen Anspruchs des einzelnen Mitgliedes fremd ist.

Unterlassen muss der Kläger die Behauptungen nicht. Vertraglich nicht und auch sonst nicht. Wenn der Beklagte behauptet, der Kläger schulde ihm Geld, verletzt er nicht seine Pflicht aus dem Kaufvertrag, verschwiegen zu sein, weil diese Äußerung der Aktiengesellschaft, eine vom Beklagten zu unterscheidende Person, als solche nicht abträglich und daher von der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht nicht umfasst ist. Auch ist die angegriffene Äußerung eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung. Diese Meinungsäußerungsfreiheit hat hier Vorrang vor dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dies gilt jedenfalls solange, wie ein weiterer, hier nicht zu entscheidender Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem Kläger über Zahlungsansprüche des Beklagten noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.

Zudem hat sich der Beklagte weder in Interviews noch in einer TV-Sendung dahin geäußert, der Kläger könne nicht zahlen. Sollte diese Äußerung im privaten Freundeskreis gefallen sein, war dies zulässig, selbst wenn eine solche Äußerung in der Öffentlichkeit unzulässig wäre. Dies gilt auch für eine entsprechende Bemerkung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied der Aktiengesellschaft, weil dieses nach dem Aktienrecht zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

Anmerkung

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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