Bundesgerichtshof Urteil vom 17. Dezember 2021, Az. V ZR 44/21, bekannt gegeben am 9.2.2021 sowie Urteil vom 20. März 2020, Az. V ZR 317. 

Wenn jemand meint, das Recht des Wohnungseigentums sei doch einfach - es gehe nur um überhängende Äste; dann hat er sich mit dem WEG noch nicht eingehend befasst. Ein Musterbeispiel für die Hohe Schule des WEG-Rechts bilden die beiden nachfolgend  aufgeführten Urteile des V. Zivilsenats sowie das vorinstanzliche Urteil des 15. ZS des OLG München vom 21. November 2018 zum (bestätigenden) BGH-Urteil vom 20.3.2020.

Die Rechtslage in Kurzfassung: Das Sondernutzungsrecht einmal als Dienstbarkeit notwendigerweise eingetragen, einmal nicht.

Leitsatz des soeben bekannt gegebenen BGH-Urteils vom 17.12.2021:

Soll Inhalt eines durch eine Grunddienstbarkeit gesicherten Geh-, Fahr- und Leitungsrechts auch das Recht zum Verweilen im Sinne eines Aufenthalts und eines beliebigen Hin- und Hergehens auf dem dienenden Grundstück sein, muss dies im Grundbuch selbst zumindest schlagwortartig eingetragen werden. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 Satz 1
BGB genügt nicht.

Von diesem Urteil zu unterscheiden ist das Urteil vom 20. März 2020 Az. V ZR 317/18.

Achten Sie bei den nachfolgend aufgeführten Leitsätzen zur Unterscheidung bitte vor allem auch auf die „Eintragung im Grundbuch” und überhaupt auf Leitsatz c):„auch die Nutzung der Fläche umfasst”. Nun noch von vorne die vom V. ZS verfassten Leitsätze vom 20.3.2020:

Die Abgrenzung zwischen einem Grundstücksnießbrauch und einer Benutzungsdienstbarkeit richtet sich allein formal danach, ob dem Berechtigten eine umfassende Nutzungsbefugnis (ggfs. unter Ausschluss einzelner Nutzungen) oder nur einzelne Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden.
a) Ein Sondernutzungsrecht kann nicht selbständig mit einer Dienstbarkeit belastet werden.
b) Ausübungsbereich einer Grunddienstbarkeit kann eine Sondernutzungsfläche sein, die dem belasteten Sondereigentum zugeordnet ist; sie kann auch den alleinigen Ausübungsbereich darstellen.
c) Berechtigt eine Dienstbarkeit zur Nutzung von Sondereigentum, ist die Berechtigung vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Eintragungsbewilligung dahingehend zu verstehen, dass sie auch die Nutzung der Fläche umfasst, an der ein dem Sondereigentum zugeordnetes Sondernutzungsrecht besteht. Die Befugnis zur Nutzung einer solchen Fläche muss daher nicht schlagwortartig im Grundbuch selbst gekennzeichnet werden.
d) Für eine Aufhebung oder Übertragung des Sondernutzungsrechts ist die Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten gemäß §§ 876, 877 BGB erforderlich; können die übrigen Wohnungseigentümer jedoch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG eine Änderung oder Aufhebung des Sondernutzungsrechts verlangen, ist auch der Dienstbarkeitsberechtigte zur Zustimmung verpflichtet.
e) Überschreitet der Dienstbarkeitsberechtigte die Grenzen einer zulässigen Nutzung, wie sie sich aus den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer untereinander ergeben, stehen den Wohnungseigentümern - nicht anders als gegen den Mieter - Ansprüche aus § 1004 BGB zu.

Anmerkungen: 

Hervorzuheben ist auch eine Bemerkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Stresemann in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2019, gemeinsam mit den Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richtern Dr. Kazele und Dr. Hamdorf: „Je öfter ich das voristanzliche Urteil gelesen habe - OLG München 15. ZS vom 21. Nov. 2018 - desto besser habe ich es gefunden”. Als von der I. Instanz an federführende Kanzlei durfte unsere Geschäftsführerin in der BGH-Verhandlung anwesesend sein. BGH-Anwalt war RA Dr. Peter Bankelmann.

Bezeichnend ist für die Rechtsprechung des V. ZS, dass er in den Leitsätzen d) und e) nach vorne blickend die so wichtigen Fragen für die Zukunft gleich mit beantwortet hat.

Schon das Grundbuchamt München hatte vorzüglich zum Fall BGH-Urteil vom 20.3.2020 gearbeitet; auch nach wiederholter Prüfung: keine Eintragung des Sondernutzungsrechts als Dienstbarkeit.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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