Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.12.2021 Az. - 2-13 S 75/20 - Keine Einladung zur Eigentümerversammlung durch Dritte

Leitsatz

Erfolgt die Einladung zu einer Eigentümerversammlung durch einen Dritten, den der Verwalter umfassend mit sämtlichen Verwaltungsaufgaben betraut hat und der faktisch die Verwaltung führt, liegt eine systematische Missachtung der Regeln des Wohnungseigentumsrechts vor. Die gefassten Beschlüsse sind dann, ohne dass es auf eine Kausalitätsprüfung ankommt, für ungültig zu erklären (Anschluss an BGH V ZR 64/20).

Der Fall, wie er im Urteil wiedergegeben wird

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Teilungserklärung sieht für die Vertretung der Eigentümerversammlung vor: „Eine Vertretung ist nur durch Verwandte in gerader Linie, Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer, einen Generalbevollmächtigten oder den Verwalter zulässig.“

Zu der Eigentümerversammlung lud nicht der Verwalter, sondern eine ... GmbH&CoKG ein, welche vom Verwalter vollumfänglich mit der Wahrnehmung der Verwalteraufgaben beauftragt und bevollmächtigt war und auch entsprechend tätig geworden ist. Sie wurde unter TOP 5 ohne Vorlage von Alternativangeboten zum Verwalter gewählt.

Die Klägerin hatte eine mit „Generalvollmacht“ bezeichnete Vollmacht zur Verwaltung ihres Sondereigentums erteilt, womit ihr Vertreter insbesondere berechtigt war, auf die Verwaltung des Wohnungseigentums gerichtete Erklärungen abzugeben und an Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung wurde dem Vertreter der Klägerin die Teilnahme verweigert.

Der Verlauf vor dem Amtsgericht

Das Amtsgericht hat der Klage bereits deshalb stattgegeben, weil der so genannte Generalbevollmächtigte der Klägerin von der Versammlung ausgeschlossen worden ist. ... Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. ...

2. Allerdings liegt ein Fehler, der zur Ungültigerklärung der Beschlüsse führt, nicht bereits darin, dass der Vertreter der Klägerin von der Versammlung ausgeschlossen wurde. ....

In der Teilungserklärung ist in zulässiger Weise (BGH NZM 2019, 858 Rn. 8; BGHZ 99, 90, 93 ff.) die Vertretungsbefugnis auf einer Eigentümerversammlung eingeschränkt worden. Zu dem dort genannten Personenkreis gehört der Vertreter der Klägerin nicht, insbesondere war er kein Generalbevollmächtigter im Sinne der Teilungserklärung. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung der Vollmacht an, sondern ob diese den inhaltlichen Anforderungen der Teilungserklärung entspricht.

Entscheidend ist daher, was unter Generalvollmacht im Sinne der Teilungserklärung zu verstehen ist. Dabei kommt es nicht auf die von der Berufung angeführte subjektive Auslegung des beurkundenden Notars an, sondern maßgeblich ist alleine eine objektiv-normative Auslegung, wie sie sich einem objektiven Betrachter ergibt. Maßgeblich ist daher zunächst der Wortlaut der Teilungserklärung. Üblicherweise wird zwischen der Spezialvollmacht, der Art- oder Gattungsvollmacht und der Generalvollmacht unterschieden (MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 167 Rn. 65). Die Generalvollmacht berechtigt zur grundsätzlich unbeschränkten Vertretung in allen den Vollmachtgeber betreffenden Angelegenheiten, in denen Vertretung rechtlich zulässig ist (BeckNotar-HdB, § 27. Vollmachten Rn. 165, Palandt/Ellenberger BGB § 167 Rn. 7; MüKoBGB/Schubert BGB § 164 Rn. 186). Eine Gattungsvollmacht beschränkt sich üblicherweise auf die Vornahme einer bestimmten Art von Rechtsgeschäften.

Die Vollmacht im vorliegenden Fall ist zwar als Generalvollmacht bezeichnet, sie beschränkt sich allerdings ausdrücklich auf ein konkretes Sondereigentum an einer Wohnung, ist hier allerdings inhaltlich unbeschränkt und bietet die Möglichkeit sämtliche Rechtsgeschäfte, die mit diesem Sondereigentum verbunden sind zu tätigen. Allerdings ergibt sich eine Einschränkung aus dem einleitenden Satz dahingehend, dass es lediglich um die Verwaltung der Wohnung geht, so dass Grundgeschäfte, insbesondere die Veräußerung der Wohnung von der Vollmacht nicht erfasst sind.


Schwerer Verstoß gegen Regeln des Wohneigentumsrechts ...
In dem zugrunde liegenden Fall erhob eine Wohnungseigentümerin im Jahr 2019 beim Amtsgericht Bad Hersfeld Klage gegen sämtliche auf einer Eigentümerversammlung getroffenen Beschlüsse. Sie hielt die Beschlüsse unter anderem deshalb für nichtig, weil nicht der Verwalter zur Versammlung eingeladen hatte, sondern eine andere Firma. Diese Firma wurde vom Verwalter vollumfänglich mit der Wahrnehmung der Verwalteraufgaben betraut und bevollmächtigt. Nachdem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hatte, musste das Landgericht Frankfurt a.M. die Entscheidung überprüfen.

Ungültigkeit sämtlicher auf Versammlung getroffener Beschlüsse
Das Landgericht Frankfurt a.M. bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Sämtliche auf der Eigentümerversammlung getroffenen Beschlüsse seien nichtig. Denn in der Übertragung der Verwalteraufgaben auf die Firma liege ein schwerer Verstoß gegen die Regeln des Wohneigentumsrechts. Es komme daher auch nicht auf die Kausalität eines Beschlussmangels an.

Unzulässigkeit der Übertragung der Verwalteraufgaben an Dritte
Grundsätzlich treffe dem Verwalter die Pflicht, so das Landgericht, seine Dienste höchstpersönlich zu erbringen. Außerhalb der Übertragung im Rahmen von Verschmelzungen oder der Rechtsnachfolge könne der Verwalter einer Wohneigentumsanlage seine Befugnisse nicht rechtsgeschäftlich auf Dritte übertragen oder diesen zur Ausübung überlassen werden. Ob der Dritte gegenüber dem Verwalter weisungsgebunden ist, sei dabei unerheblich.

In der Übertragung der Verwalteraufgaben auf die ... GmbH & Co. KG liegt hier ein systematischer Verstoß gegen die Regeln des Wohnungseigentumsrechtes, denn grundsätzlich trifft den Verwalter die Pflicht, seine Dienste höchstpersönlich zu erbringen. Demzufolge entspricht es auch gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass außerhalb der Übertragung im Rahmen von Verschmelzungen oder der Rechtsnachfolge, der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage seine Befugnisse nicht rechtsgeschäftlich auf Dritte übertragen oder diesen zur Ausübung überlassen kann (BGH NZM 2014, 312 Rn. 11). Demzufolge ist es unzulässig, dass der Verwalter seine Verwalterstellung bzw. die gesamte tatsächliche Ausübung der Tätigkeit oder wesentlicher Teile hiervon auf einen Dritten delegiert (LG Frankfurt ZWE 2013, 30 (31); LG Karlsruhe ZWE 2013, 176; Jennißen/Jennißen, 6. Aufl., § 26 Rn. 24; MüKoBGB/Zschieschack, § 26 WEG, Rn. 16; jew. mwN). ......

Dieser Verstoß wiegt auch schwer, denn sowohl die Regelungen zum Verwalter (§ 26 WEG) als auch zur Einladung (§ 24 Abs. 2 WEG) gehören zu den Kernbereichen der Verwaltung des Wohnungseigentums (vgl. BGH NZM 2021, 236 Rn. 14), die hier nicht nur einmalig, sondern systematisch und planvoll missachtet wurden, indem die Verwaltung unzulässigerweise von der bestellten Verwalterin auf die ... GmbH & Co. KG übertragen wurde.

Angesichts dieses schweren und fortdauernden Verstoßes, der aus der Sicht eines objektiv urteilenden Wohnungseigentümers bei einer wertenden am Schutzzweck von §§ 26, 24 Abs. 2 WEG orientierten Betrachtung eine Ungültigerklärung rechtfertigt (vgl. BGHZ 216, 112 = NZG 2017, 1374), kommt es nach der neueren Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH (NZM 2021, 236 Rn. 14) nicht mehr auf eine Kausalität an.

Anmerkungen

 Die Urteilsbegründung enthält auch interessante begriffliche Hinweise, wie zu den Arten von Vollmachten.

Vor allem jedoch lässt sie daran denken, dass mit Aufträgen zur Wohnungs-Eigentumsverwaltung Geschäfte betrieben werden. Wenn Sie ein gutmütiger Wohnungseigentümer sind, wie die meisten: Achten Sie einmal genau darauf, welche Rechte mit der Verwaltung Ihres Wohnungseigentums betrieben werden.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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