Bundesfinanzhof Urteil vom 12.7.2022, herausgegeben am 29.9.2022, Az. VIII R 8/19. Fall: häusliches Arbeitszimmer.

Der Fall, wie ihn die Pressemitteilung des BFH vom 29.9.2022 schildert.

Eine selbständige Unternehmensberaterin machte in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts (FA) reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des FA aber für klärungsbedürftig hielt. Er bat den Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat der Besichtigung nicht widersprochen.

Die Entscheidung des BFH
Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmers im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige – so wie im Streitfall – der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb ein schwerer Grundrechtseingriff nicht vorliegt.
Die Ermittlungsmaßnahme war auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Anmerkung

Das Bundesverfassungsgericht sowie die - neben dem BFH - anderen vier obersten Gerichtshöfe der BRD hätten genauso entschieden, also der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht. Dies lässt sich - noch ohne den Volltext des BFH-Urteils - schon deshalb klar feststellen, weil der BFH offenbar abwägend den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seinem Urteil zugrunde gelegt hat. Sie können in unserer Suchfunktion weitere Rechtsprechung zum Verhältnismäigkeitsgrundsatz sowie zur Abwägung nachlesen und urteilen, dass diese Grundsätze die gesamte Rechtsprechung durchziehen.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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