Gestern wurde in der Presse über ein Urteil des Landgerichts München I zur Veröffentlichung eines älteren Fotos der „Busen-” bzw. „Busenmacher-Witwe” (beides rechtlich zulässig, noch nicht rechtskräftig) berichtet. Dieses Foto zeigt die Witwe in unverfänglicher Bekleidung. Sie hatte sich damals bewusst ablichten lassen. Das Foto war in einer Zeitschrift veröffentlicht worden, um zu zeigen, wie die Witwe „aussah, bevor der Doktor zum Messer griff”. Da das Gericht dem Verlag die weitere Veröffentlichung untersagte, sehen wir davon ab, dieses Foto ins Netz zu stellen.
Das Gericht stellt zur Begründung seiner Entscheidung einen bislang in der Diskussion um das Straßburger Urteil unbeachteten Aspekt heraus, der sogar für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und gegen das Straßburger Urteil vom 24. Juni spricht. Das Gericht führt nämlich aus (Hervorhebungen durch uns):
„Die Antragstellerin weiß heute, dass sie zu einer gewissen Berühmtheit gelangt ist, ja sie vermarktet diesen Umstand sogar tatkräftig. Aufgrund dieses Bewußtseins vermag sie auch zu steuern, ob und wenn ja, wie sie etwaigen Pressefotografen, sei es auch nur beim Verlassen des Hauses oder bei einem privaten Einkauf, gegenübertritt. Unabhängig von der Frage, ob derartige Fotos aus dem Privatleben ohne Einwilligung veröffentlicht werden dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 19. 10. 2004 - Az. VI ZR 291/03), hat es die Antragstellerin jedenfalls heute in der Hand, ihr Verhalten und ihr äußeres Erscheinungsbild diesem Umstand anzupassen, zumal etwaige Rechtsbehelfe der Antragstellerin meist eine Erstveröffentlichung derartiger Fotos selbst im Falle der Rechtswidrigkeit nicht verhindern können. All diese Möglichkeiten bestehen für das vorliegende Jugendfoto indes nicht. Denn damals war der Antragstellerin noch nicht bekannt, dass sie 15 Jahre später im Zentrum der Medienöffentlichkeit stehen würde.”
Das heißt für die Würdigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Das Landgericht München I hat, um in anderem Zusammenhang gegen eine Zeitschrift zu entscheiden, ein Sesam öffne Dich-Argument zugunsten der Kommunikationsfreiheit eingeführt. Die Prominenten können doch sogar steuern, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Folglich wird ihr Persönlichkeitsrecht insoweit überhaupt nicht oder nur wenig beeinträchtigt. Folglich muss erst recht so abgewogen werden, wie das Bundesverfassungsgericht zwischen dem Recht auf Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsrecht abgewogen hat. Dies gilt vor allem für die Fälle, in denen die Prominenten nicht im geringsten belästigt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Aspekt in seiner Grundsatzentscheidung vom 15. 12. 1999, der zusätzlich für seine Entscheidung spricht, noch nicht verwertet. Das Straßburger Urteil vom 24. Juni 2004 erwähnt diese Überlegung schon gar nicht und trägt auch nicht etwa ein Argument vor, das mittelbar diesen Gedanken widerlegen könnte.