Bundesgerichtshof Urteil vom 10.11.2022, herausgegeben heute 13.12.2022, Az. III ZR 13/22. Für den Juristen ist nebenbei intruktiv eine Divergenz innerhalb des Berufungssenats.

Dritter Leitsatz

c) Beruht eine unterlassene Vorlage auf Willkür, ist dieser Verstoß ungeachtet der Regelung des § 526 Abs. 3 ZPO sowie von Amts wegen zu berücksichtigen (Fortführung u.a. von BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202; vom 10. November 2003 - II ZB 14/02, NJW 2004, 448, 449 und vom 28. Januar 2022 - VI ZB 13/20, NJW-RR 2022, 570 Rn. 5)

Die wichtigsten rechtlichen Ausführungen des III. Zivilsenats 

Die Einzelrichterin hat, wie ihre Begründung der Zulassung der Revision zeigt, im Ausgangspunkt zwar erkannt, dass eine einheitliche Würdigung des Vorgehens der Beklagten im Zusammenhang mit der Börseneinführung der TSM-Aktien nicht gewährleistet war. Sie hat jedoch verkannt, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung (zunächst) im Wege der Vorlage gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und nicht durch die Zulassung der Revision herbeizuführen war, weil eine Divergenz innerhalb des Berufungssenats nach der Übertragung der Sache an sie entstanden war. Ungeachtet dessen, dass die Einzelrichterin auch den Pflichtenkreis der Beklagten abweichend von dem übrigen Berufungssenat gesehen hat, beruht ihre Beurteilung, dass der gegen die Beklagte erhobene Vorwurf der Teilnahme (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) an einem deliktischen Verhalten des Vorstands der TSM zutreffend ist, vor allem auch auf einer Würdigung der Einzelfallumstände, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, NJW 2004, 3423, 3425 mwN). Demzufolge bedeutete die unterbliebene Vorlage der Sache an das Kollegium des Berufungssenats eine schwerwiegende, objektiv unhaltbare Verkürzung der Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten - wie im Übrigen auch der Angriffsmittel des Klägers. Die Zulassung der Revision gleicht dies wegen des hinsichtlich der tatrichterlichen Würdigung eingeschränkten Prüfungsmaßstabs nicht aus.

Anmerkung

Auch aufschlussreich aus dem Urteil:

1. Grundsätzliche Bedeutung haben auch die Fälle der sogenannten Innendivergenz, das heißt die Fälle, in denen innerhalb
eines Spruchkörpers unterschiedliche Auffassungen über die Beurteilung der Sach- oder Rechtslage bestehen
(vgl. BT-Drucks. aaO ...)

2. --- weil die Frage, ob Willkür vorliegt, anhand objektiver Kriterien festzustellen ist (vgl. BVerfGE 80, 48, 51; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZR 328/03, NJW 2005, 153).

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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