OLG Karlsruhe Urteil vom 3. Mai 2023, Az. 14 U 267/21. „Vor Abfahrt um das Auto herumgehen”; früher hieß es: um Beleuchtung zu prüfen; heute beim Engparken: prüfen, ob von anderem Auto angefahren und geschädigt - bis hin zu: ein betrunkener Partygast schläft vor Auto eines Partygastes. Soeben veröffentlicht zum Beispiel in DAWR.
Anmerkung: Zum Verkündungsdatum werden unterschiedliche Daten angegeben, aber die Angaben zu Aktenzeichen stimmen überein. Das vollständige Urteil soll in einer Verkehrsrechts-Plattform veröffentlicht worden sein. In der Sache stimmt das Urteil jedenfalls.
Leitsatz
Es muss Gewissheit herrschen, dass niemand und nichts gefährdet wird und der Weg frei ist. Dazu muss man im Zweifel auch um sein Fahrzeug herumgehen.
Der Fall,
Zwei Frauen waren Gäste auf einer Party. Eine von ihnen verließ das Fest gegen vier Uhr morgens und stieg in ihr Auto auf dem Grundstück. Als sie losfuhr, rollte sie über die andere Frau. Die fast 17-Jährige hatte mit über zwei Promille Alkoholgehalt im Blut vor dem Wagen geschlafen. Die Autofahrerin hatte das nicht bemerkt. Sie war von hinten an das Auto gelangt, um einzusteigen. Die Betrunkene wurde dabei erheblich verletzt und klagte auf mindestens 40.000 Euro Schmerzensgeld.
Eine Vorinstanz sah die Hauptschuld bei der Verletzten. Die Autofahrerin sollte nur mit einem Viertel haften - wegen der allgemeinen Betriebsgefahr des Autos. So wurde ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zugesprochen. Dagegen ging die Klägerin vor. Mit Erfolg.
Zur Rechtslage das OLG
Das Oberlandesgericht nahm die Autofahrerin mehr in die Verantwortung als die Vorinstanz. Sie musste hälftig mithaften. Begründung: Die Hauptursache für den Unfall war, dass sich die andere Frau stark betrunken vor das Auto gelegt hatte. Unzurechnungsfähig war die überrollte Frau nach Ansicht des Gerichts aber nicht: Im Alter von fast 17 Jahren könne man die Alkoholwirkung einschätzen. Selbst dann, wenn man „typischerweise noch wenig Erfahrung im Umgang mit Alkohol hat und sich meist überschätzt.“
Zudem hätten Zeugen ausgesagt, dass die Betroffene auch in der Vergangenheit regelmäßig Alkohol getrunken habe und auch ähnlich viel. Die Frau war acht Tage im Krankenhaus und litt ein Vierteljahr an andauernden körperlichen Beeinträchtigungen. Das Gericht hielt daher ein Schmerzensgeld von 12.000 Euro für angemessen. Durch ihren Schuldanteil von 50 Prozent am Unfall erhielt die Frau aber nur die 6000 Euro von der Fahrerin.
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