Frau Reding antwortete in einem Interview auf die von der deutschen Presse immer und immer wieder geäußerte Kritik an Ihren Plänen zum Product Placement lediglich:
„Ich habe die deutsche Debatte um Schleichwerbung und Product Placement sehr aufmerksam verfolgt.... Ich habe so in der neuen Richtlinie vorgesehen, dass der Zuschauer im Vorspann einer Sendung informiert werden muss, wenn diese Product Placement enthält. Eine Zuschauer-Täuschung, wie wir sie in Deutschland beim 'Marienhof'-Skandal erlebt haben, wird in Zukunft also eindeutig verboten sein.”
Quelle: neueste Ausgabe pro media 12/2005, Interview mit Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien.
Frau Reding hat mit diesem Interview für die Sache sicher getan, was möglich war. Besser verteidigen lässt sich der Plan gegen die erdrückenden Argumente der Presse nicht. Problematisch oder - wie man's nimmt - tapfer ist, dass sich die EU bislang nicht bewegt.
Die EU beruft sich nicht etwa auf Studien, aus denen sich ergeben soll, dass „der Zuschauer” aufgrund eines Hinweises im Vorspann bei jedem Product Placement nicht getäuscht werde, also stets realisiere: „Ach ja, das ist bezahlte Werbung!”.
Die EU-Kommissarin geht nicht darauf ein, dass „der Zuschauer” den Vorspann oft nicht einmal sieht; - zum Beispiel, wenn er erst später kenntnislos die Sendung mit dem Product Placement einschaltet. Ein Hinweis im Nachspann kann im Wesentlichen nichts retten.
Wer „der Zuschauer” sein soll, wenn Milionen Zuschauer zusehen, erfährt der Kritiker nicht. Der eine Zuschauer verhält sich so und fasst so auf, der andere gerade anders. Im Wettbewerbsrecht behilft sich der Europäische Gerichtshof mit dem Verbraucherleitbild des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers”. Dass der durchschnittliche Durchschnitt jeweils das Product Placement als Werbung erkennt, kann jedoch niemand auf dieser Welt bestätigen.
Genauso wenig beruft sich die EU auf Studien, nach denen das Vertrauen auf die Trennung von Redaktion und Werbung dennoch erhalten bleibe. Studien würden voraussichtlich die Pläne der EU konterkarieren.
In den Interviewantworten findet sich kein Wort dazu, dass Werbungsgelder durch Product Placement im Fernsehen von der Presse abgezogen werden. Dabei hat sich eine Stellungnahme aufgedrängt.
Es fehlt jedes Wort dazu, wie sehr die Presse unter Druck gerät, sich dem Fernsehen zum Product Placement anzupassen.
Genauso: Keine Stellungnahme dazu, dass dann die Täuschungswelle auch noch über das Internet die Presse überschwemmen würde.
Dabei ist die - wie RTL - in Luxemburg beheimatete Kommissarin genauso für den Schutz der Presse zuständig. Nachdenklich muss auch stimmen, dass - wie Frau Reding im Interview versichert - „die deutsche Debatte sehr aufmerksam verfolgt” wurde. Das heißt, all die Einwände sind bekannt und bleiben dennoch unbeachtet. Warum nur?!
Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung bestimmt ausdrücklich auf seiner Seite 114, dass im Rahmen der Revision der EU-Fernsehrichtlinie „insbesondere an der Trennung von Programm und Werbung festzuhalten” sei. Dieser gute Vorsatz verlangt, nicht mit einem bloßen Hinweis im Vor- und Abspann die Trennung praktisch doch aufzuheben.
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