Ein Richter darf auch dann von sich aus im Internet Sachverhalt ermitteln, wenn allein die Parteien (nach dem Beibringungsgrundsatz) den Sachverhalt selbst vortragen müssen.
Ein Arbeitgeber hatte einem Mitarbeiter wegen Vortäuschens einer Krankheit und eigenmächtigen Urlaubsantritts fristlos gekündigt. Der Arbeitnehmer wandte ein, er habe nicht aus dem Ausland angerufen, er verwende in seinem Handy eine polnische SIM-Karte, weshalb die Vorwahl "0048" (= Kennung für Polen) erscheine.
Ein offenkundig herausragender Arbeitsrichter ermittelte - anders als der Arbeitgeber - mit Hilfe des Internet, dass der Arbeitnehmer aus Polen angerufen haben muss. Der Arbeitnehmer wollte daraufhin erreichen, dass der Richter für befangen erklärt wird. Erfolglos.
Das Arbeitsgericht Siegen wörtlich:
„Es ist daher unerheblich, ob das Wikipedia-Lexikon ... tatsächlich die Voraussetzungen erfüllt, um als allgemein anerkannte zuverlässige Informationsquelle angesehen zu werden [so dass es sich um offenkundige Tatsachen im Sinne der Verfahrensrechte handelt]. Eine solche Auffassung ist jedenfalls vertretbar. Folgt der Richter bei seinen Handlungen einer zumindest vertretbaren Ansicht, lässt sich daraus im Regelfall keine Befangenheit ableiten ...”.
Wir haben Ihnen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen, Az.: 3 Ca 1722/05, ins Netz gestellt.
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