Dieser lateinische Rechtsgrundsatz vermochte einer beklagten Anwaltskanzlei nicht zu nutzen. Sarkastisch könnte man formulieren: Was das Gericht nicht sieht, macht den Rechtsanwalt schadensersatzpflichtig.
In einem Mietrechtsstreit hatten sowohl das Gericht als auch die Anwaltskanzlei der Klägerin eine der Klägerin günstige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übersehen. Die Klägerin verlor den Prozess. Wäre die BGH-Rechtsprechung berücksichtigt worden, wäre das Verfahren anders verlaufen (Entscheidung voll zugunsten der Klägerin oder Zulassung der Revision).
Die Klägerin mochte ihrer Anwaltskanzlei nicht auch noch deren Anwaltsgebühren (und andere Kosten) bezahlen. Nun klagte die Kanzlei gegen ihre Mandantin auf Zahlung der Anwaltsgebühren. Es kam, wie es kommen musste: Der BGH entschied mit seinem Urteil Az.: IX ZR 179/07 gegen die Kanzlei. Dass auch das Gericht die BGH-Rechtsprechung nicht kannte, ließ der BGH außer acht. Die Begründung:
Der Grundsatz „iura novit curia“ gelte nur im Verhältnis eines juristisch nicht gebildeten Laien zum Gericht. Der zum Pflichtenkreis eines Anwalts gehörende Beibringungsgrundsatz beziehe sich hingegen nicht nur auf die entscheidungserheblichen Tatsachen, sondern auch auf die Darlegung der rechtlichen Grundlagen. Der dem Mandanten durch die rechtskräftige Klageabweisung entstandene Schaden sei dem Anwalt haftungsrechtlich trotz des Umstandes zuzurechnen, dass das Gericht nur deswegen zu einer Fehlentscheidung gelangte, weil es die abweichende BGH-Rechtsprechung (selbst) übersehen hatte.
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