Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied in einem Urteil (Az.: 8 C 10.08), dass ein kulturell, sozial und traditionsmäßiger Weihnachtsmarkt“, der bislang unter gemeindlicher Ägide betrieben worden ist, als „öffentliche Einrichtung“ nicht vollständig privatisiert werden könne. Die Gemeinde könne sich nicht freiwillig ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben.
Der Kläger wandte sich als Inhaber eines Imbissstandes u.a. gegen eine „schleichende“ Privatisierung eines Weihnachtsmarktes in Hessen. Zunächst war die Organisation an einen Dritten vergeben, der Einfluss der Gemeinde durch vertragliche Regelungen jedoch sichergestellt worden. Durch eine freiwillige Vertragsanpassung wurde der Einfluss der Gemeinde dann jedoch soweit eingeschränkt, dass das Gericht von einer vollständigen Privatisierung ausging.
Das BVerwG urteilte: Die Gemeinde habe die ihr gem. Art 28 Abs. 2 S. 1 GG zustehende Selbstverwaltungsgarantie nicht hinreichend wahrgenommen und gab der Klage statt:
„Anderenfalls hätten es die Gemeinden selbst in der Hand, den Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung durch Abstoßen oder Nichtwahrnehmung ihrer ureigenen Aufgaben auszuhöhlen. Um ein Unterlaufen des ihr anvertrauten Aufgabenbereichs zu verhindern, muss sich die Gemeinde grundsätzlich zumindest Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten vorbehalten, wenn sie die Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises anderen übertragen will. ... Will sie Dritte bei der Verwaltung bestimmter Bereiche ihres eigenen Aufgabenbereichs einschalten, die gerade das Zusammenleben und das Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinschaft betreffen, so muss sie ihren Einflussbereich über die Entscheidung etwa über die Zulassung im Grundsatz behalten...“
Anmerkung:
Das BVerwG hat neben reinen Pflichtaufgaben (also Aufgaben, die kraft Gesetzes den Gemeinden auferlegt sind, wie bspw. Räum- und Streupflichten) nun eine neue Kategorie der „pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben“ geschaffen, meinen wir. Die öffentlichen Einrichtungen wie bspw. Sportanlagen, Schwimmbäder oder auch gemeindlich organisierte Weihnachtsmärkte können nicht mehr vollständig privatisiert werden. Immer wenn Kommunen privatisieren wollen, ist neben dem politischen nun vor allem juristischer Streit vorprogrammiert. Die Richter des BVerwG fungierten quasi als Gesetzgeber.
Die Wirkung des Urteils wurde als „folkloristisch“ und „bizarr“ beschrieben, da angesichts leerer Sozialkassen, Schlaglöchern oder maroden Schulgebäuden „ausgerechnet die Erhaltung traditioneller Weihnachtsmärkte“ nun eine Pflichtaufgabe der Gemeinde geworden ist (Winkler, JZ 2009,1170).
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