Ein Arbeitnehmer warf seinem Arbeitgeber in einem Internetforum „verschärfte Ausbeutung“ und „menschenverachtende Jagd auf Kranke“ vor. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az.: 2 Sa 59/09) hat die auf diese Kritik gestützte, verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers als unwirksam angesehen, da die Äußerungen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 GG unterfielen.
Der Fall:
Der Kläger war bei einem großen Automobilunternehmen angestellt und Mitglied eines Solidaritätskreises. Dieser Solidaritätskreis veröffentlichte mit der Kontaktadresse des Klägers den folgenden Beitrag: „In dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung. Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück. Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab.“ Auf diesen Angriff stützte die Beklagte insgesamt vier Kündigungen. Die Parteien setzten sich mehrere Jahre lang bis zum Bundesarbeitsgericht gerichtlich auseinander. Der Arbeitgeber blieb erfolglos. Der Kläger wiederholte dann diese Äußerungen, worauf die Beklagte erneut kündigte und hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragte.
Die Entscheidung:
Das LAG Baden-Württemberg hat mit seinem Urteil die fünfte Kündigung für unwirksam erklärt und den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Das Gericht war der Auffassung, der Internetbeitrag sei vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und verletze nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Maßgeblich dabei war für das Gericht, dass die Äußerung des Klägers keine Beleidigung oder Schmähung enthalte, und im Zusammenhang mit der gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgte. Auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung lehnte das Gericht ab, da die Gesamtbewertung von Äußerungen, Verhalten und betrieblicher Stellung des Klägers nicht erkennen lasse, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten sei.
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