OLG Köln, Urteil vom 29.09.2012, Az. 6 U 53/12 (nicht rechtskräftig)
Zum Hintergrund: Die Parteien, beide in Deutschland führende Anbieter von Lakritz- und Fruchtgummi-Produkten, streiten um die Zulässigkeit eines TV-Spots der Beklagten. In einer Fernseh-Werbung zeigt die Beklagte einen prominenten Fernsehmoderator mit zwei Familien in einem Supermarkt und wirbt für ihre Produkte mit der Kopplung der Teilnahme an einem Gewinnspiel („100 ‚Goldbärenbaren‘ im Wert von 5.000,00 €“) an den Kauf von fünf Fruchtgummi-Packungen zu je ca. 1 Euro. Die Klägerin sieht hierin eine unzulässige Kopplung, da auch bei richtlinienkonformer Auslegung des Az. 6 U 53/12, ausführt. Zwar sei ein an den Warenumsatz gekoppeltes Gewinnspiel per se nicht unlauter. „Ein solches Per-se-Verbot ohne Wertungsmöglichkeit, wie es in § 4 Nr. 6 UWG enthalten ist, ist mit der durch die Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) bezweckten Vollharmonisierung nicht vereinbar.[…] Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 6 UWG kann sich jedoch ein Verbot daraus ergeben, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Kopplung eine unlautere Geschäftspraktik darstellt (BGH GRUR 2011, 532 Tz. 25 – Millionen-Chance II)“. Dies sei bei der beanstandeten Werbung im Ergebnis zu bejahen. Die berufliche Sorgfalt umfasse auch die Pflicht des Werbenden zur Rücksicht auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers. Insbesondere dürfe die Rationalität der Nachfrageentscheidung nicht vollständig in den Hintergrund treten. Im vorliegenden Fall müsse aber der strenge Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 3 UWG angewendet werden. Hierbei sei entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ausreichend, dass sich die Werbung auch an Kinder und Jugendliche richte. Unter Berücksichtigung der Höhe des ausgelobten Gewinns sowie der Darstellung der Teilnahmebedingungen würden Kinder und Jugendliche aber in übertriebener Weise angelockt, die Rationalität ihrer Kaufentscheidung trete völlig in den Hintergrund. „Berücksichtigt man schließlich, dass Kinder und Jugendliche die gewünschte Erhöhung der Gewinnchancen durch den Einsatz von jeweils fünf Euro und damit durch Einsatz ihres Taschengeldes zu realisieren in der Lage sind, besteht die Gefahr, dass sie zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden. Somit ist Werbung auch geeignet, das wirtschaftliche Verhalten eines durchschnittlichen Minderjährigen wesentlich zu beeinflussen.“
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen