Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 10. 1998


Aktenzeichen

6 AZR 176/97


Leitsatz des Gerichts

Das Ausscheiden eines Vorgesetzten, dem der Angestellte über mehrere Jahre unmittelbar fachlich unterstellt war, ist ein triftiger Grund für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses i.S. des § 61 II BAT-KF.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob die Bekl.dem Kl. ein Zwischenzeugnis erteilen muß. Der Kl. ist seit dem 1. 4. 1980 im Krankenhaus der Bekl. beschäftigt. Er war zunächst Assistenzarzt und ist seit dem 1. 4. 1983 Oberarzt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags - KirchlicheFassung (BAT-KF) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kl. war in der Abteilung „Radiologische Klinik und Strahleninstitut„ tätig. Leiter dieser Abteilung war der ärztliche Direktor der Klinik und gleichzeitige Mitgeschäftsführer der Bekl. Dr. H. Dieserschied zum 30. 9. 1995 aus dem ärztlichen Dienst. Zum 31. 12. 1996 legte er auch seine Funktion als ärztlicher Direktor und Mitgeschäftsführer der Bekl. nieder. Die Abteilung „Radiologische Klinik und Strahleninstitut„ wurde mit Wirkung vom 1. 10. 1995in die beiden neuen Abteilungen „Radiologische Klinik„ und „Strahlentherapeutische Klinik„, jeweils mit neuem Chefarzt, aufgeteilt. Der Kl. ist dort weiterhin als Oberarzt tätig. Seine Fachvorgesetzten sind die Chefärzte dieser Abteilungen und der ärztliche Direktor. Dienstvorgesetzter ist die aus dem VerwaltungsdirektorW und dem ärztlichen Direktor bestehende Geschäftsführung der Bekl. Der Kl., der nicht beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit der Bekl. in absehbarer Zeit zu beenden oder sich anderweitig zu bewerben, bat die Bekl. aus Anlaß des Ausscheidens von Dr. H um dieErteilung eines Zwischenzeugnisses. Dies lehnte die Bekl. zuletzt mit Schreiben vom 29. 12. 1995 ab. Dr. H erstellte als früherer Fachvorgesetzter des Kl. am 22. 1. 1996 eine „Fachliche Beurteilung„ und unter Berücksichtigung von Ergänzungswünschen desKl. am 20. 5. 1996 eine weitere „Fachliche Beurteilung„. Diese nahm die Bekl. zur Personalakte und händigte dem Kl. eine Kopie hiervon aus. Der Kl. hat die Ansicht vertreten, die Bekl. sei verpflichtet, ihm im Hinblick auf den Wechsel des Vorgesetzten unddie Umorganisation in der Klinik ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Der Anspruch sei durch die „Fachliche Beurteilung„ vom 20. 5. 1996 nicht erfüllt, da diese wegen ihres verwaltungsinternen Verwendungszwecks eine andere Bedeutung als ein Zwischenzeugnis habe.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Bekl. ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Revision hatte keinenErfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Der Kl. hat gegen die Bekl. nach § 61 II BAT-KF einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

1. Nach dieser mit § 61 II BAT wortgleichen Tarifbestimmung ist der Angestellte berechtigt, aus triftigen Gründenauch während des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu verlangen.

a) Das Ausscheiden des langjährigen Fachvorgesetzten des Kl. ist ein triftiger Grund. Zum Bedeutungsinhalt dieses Tarifbegriffs hat der Senat bereits im Urteil vom 21. 1. 1993 (NZA 1993, 1031 = AP Nr. 1 zu § 61 BAT [zu 1a]) grundlegend Stellung genommen. „Triftig„ ist danach jederGrund, der bei verständiger Betrachtung den Wunsch des Angestellten auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses als berechtigt erscheinen läßt. Das ist der Fall, wenn das Zwischenzeugnis geeignet ist, den mit ihm angestrebten Erfolg zu fördern. Bei der Auslegung des Begriffs „triftiger Grund„ist nicht kleinlich vorzugehen. Dem hat sich das Schrifttum angeschlossen. Dabei wird das Auslegungsergebnis der vorgenannten Entscheidung entweder wortgleich übernommen (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand: September 1998, § 61 Rdnr. 122; Schwerdtner, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 630 Rdnr. 42; Staudinger/Preis, BGB, 13. Aufl.,§ 630 Rdnr. 19), oder es wird ihm jedenfalls der Sache nach gefolgt. So verlangen Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (BAT, Stand: September 1998, § 61 Rdnr. 13) ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers und Bruse/Schmalz (BAT, 2. Aufl., § 61 Rdnr. 63) einen vernünftigen Grund, der einwillkürliches Verlangen des Arbeitnehmers ausschließe.

b) Als typischer Anwendungsfall des Tarifbegriffs des triftigen Grundes wird der Wechsel des Vorgesetzten allge-mein anerkannt (Berscheid, in: HwbAR, Stand: Mai 1998, Zeugnis Rdnr. 22; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, § 61Rdnr. 13; Eisemann, in: RGRK, 12. Aufl., § 630 Rdnr. 22; Haupt/Welslau, Anm. zu BAG, EzA § 630 BGB Nr. 16; Staudinger/Preis, § 630 Rdnr. 20; Küttner/Reinecke, Personalbuch 1998, Zeugnis Rdnr. 11; Wank, Münchener Hdb.z. ArbeitsR, § 124 Rdnr. 11; Wendeling-Schröder, BetrR 1996, 7; Weuster, AiB 1994, 280 [284]; einschränkend Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 14. Aufl., S. 46, wonachnicht jeder Vorgesetztenwechsel ausreichend ist). Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers ergibt sich in diesem Fall schon daraus, daß sonst über längere Zeit keine sachgerechte Beurteilung möglich wäre (vgl. Staudinger/Preis, § 630 Rdnr. 20). In Führungspositionen wird der Arbeitnehmer oftmals auf die Beurteilung durch den ausscheidenden Vorgesetzten gesteigerten Wert legen, wenn dieser inFachkreisen besonders anerkannt ist (vgl. Weuster, AiB 1994, 280). Jedenfalls wäre bei einem späteren Zeugnis durch einen neuen Vorgesetzten der eigene Erfahrungshintergrund des Beurteilenden verkürzt. Eine langjährige Zusammenarbeit kann am besten von den mitwirkenden Personen dargestellt und gewürdigt werden. Schließlich ist aus Sicht des Arbeitnehmers die Indizwirkung des Zwischenzeugnisses fürein späteres Schlußzeugnis zu berücksichtigen (vgl. hierzu Schwerdtner, in: MünchKomm, § 630 Rdnr. 46; Staudinger/Preis, § 630 Rdnr. 74; Wendeling-Schröder, BetrR 1996, 7). Im vorliegenden Fall hat das BerGer. das Ausscheiden deslangjährigen unmittelbaren Fachvorgesetzten des Kl. Dr. H zum 30. 9. 1995 aus dem ärztlichen Dienst unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze zu Recht als ausreichenden und damit im Sinne der Tarifnorm triftigen Grund für dieErteilung eines Zwischenzeugnisses erkannt.

c) § 61 II BAT-KF begründet auch den Anspruch auf das vom Kl. verlangte qualifizierte Zeugnis. Es gelten insoweit bezüglich Form und Inhalt dieselben Grundsätze wie für das Endzeugnis (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, § 61 Rdnr. 13; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, § 61 Rdnr. 123; allgemein Schaub, ArbeitsR Hdb., § 146 I 4, S. 1278; Schwerdtner,in: MünchKomm, § 630 BGB Rdnr. 41). Dies ergibt sich daraus, daß § 61 II BAT-KF durch das Wort „auch„ auf den gesamten Abs. 1 des § 61 BAT-KF Bezug nimmt, und damitauch auf Abs. 1 Satz 2, der das qualifizierte Endzeugnis regelt.

d) Im Gegensatz zur Auffassung der Bekl. ist der Anspruch des Kl. auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses nicht durch die am 20. 5. 1996 von Dr. H unterschriebene „FachlicheBeurteilung„ erfüllt worden. Das Zwischenzeugnis dient wie ein Endzeugnis regelmäßig dazu, Dritte über die Tätigkeit des Angestellten zu unterrichten (Senat, NZA 1993, 1031 = AP Nr. 1 zu § 61 BAT [zu 1b]; Weuster, AiB 1994,280 [286]). Außerdem ist der Arbeitgeber für den von dem Zwischenzeugnis erfaßten Zeitraum an seine Erklärungen grundsätzlich auch für das Endzeugnis gebunden, und erkann von dem Zwischenzeugnis nur abweichen, wenn das spätere Verhalten des Arbeitnehmers hierfür hinreichenden Anlaß bietet (LAG Köln, LAGE § 630 BGB Nr. 18 undLAG Köln, LAGE § 630 BGB Nr. 30; Haupt/Welslau, Anm. zu BAG, EzA § 630 BGB Nr. 16; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 630 Rdnr. 46; Staudinger/Preis, § 630 Rdnr. 74). Verwendungsmöglichkeit und Bindungswirkung der„Fachlichen Beurteilung„ sind mit einem Zwischenzeugnis nicht vergleichbar, wie das LAG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat.

Vorinstanzen

LAG Düsseldorf, 11 Sa 1366/96, 17.1.1997

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BAT-KF § 61 II