Organisation der Ausgangskontrolle des Rechtsanwalts bei Telefaxversand

Gericht

OVG Magdeburg


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

18. 08. 2010


Aktenzeichen

4 L 151/10


Leitsatz des Gerichts

Ein Rechtsanwalt erfüllt seine Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Faxgeräts dann, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung, insbesondere die Richtigkeit der Empfängernummer, zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig; denn er ist nicht innerhalb der in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet worden. Das angefochtene Urteil wurde der Beklagten nach eigenen Angaben am 25. Mai 2010 zugestellt, so dass die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung am 26. Juli 2010 endete (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. den §§ 187, 188 Abs. 2, 193 ZPO). Der Begründungsschriftsatz vom 24. Juli 2010 ist aber erst am 27. Juli 2010 beim Berufungsgericht eingegangen.

Der Antrag der Beklagten, ihr wegen der Versäumung der Begründungsfrist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, bleibt ohne Erfolg; denn die Beklagte, der das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, war nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert. Zwar handelt es sich bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax an das Gericht ebenso wie bei der Auswahl der richtigen Telefaxnummer um einfache technische Verrichtungen, die ein Rechtsanwalt einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlassen kann (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 04.08.2000 - BVerwG 3 B 75.00 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 235). Allerdings besteht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, Einigkeit darüber, dass der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen muss, dass auch die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.2004 - BVerwG 6 PB 16.03 -, zit. nach juris; ebenso: BAG, Urt. v. 30.03.1995 - 2 AZR 1020/94 -; BGH, Beschl. v. 10.05.2006 - XII ZB 267/04 - und Beschl. v. 17.04.2007 - XI ZB 39/06 -; BFH, Beschl. v. 18.09.2007 - I R 39/04 -, alle zit. nach juris). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 10.05.2006, a. a. O.). Hierbei darf die Überprüfung regelmäßig nicht darauf beschränkt werden, die Faxnummer im Sendebericht mit der Faxnummer zu vergleichen, die auf dem versandten Schriftsatz angegeben ist. Dieser Vergleich ist nämlich nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 10.05.2006, a. a. O.). Notwendig ist vielmehr eine Regelung, die die nochmalige selbstständige Prüfung der zutreffenden Empfängernummer vorsieht.

Soweit der Prozessbevollmächtigte - wie hier - die Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax delegiert, hat er seine Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Faxgeräts dann erfüllt, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. Hat ein Rechtsanwalt eine solche Weisung zur Ausgangskontrolle verfügt, darf er sich bei Angestellten, die sich über längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass seine allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (BVerwG, Beschl. v. 28.04.2008 - BVerwG 4 B 48.07 -, zit. nach juris).

Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diesen Maßstäben an eine entsprechende Organisation der Ausgangskontrolle nachgekommen wäre, ist dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte angewiesen wurde, die Rechtsmittelschrift per Telefax zu übermitteln und im Hinblick auf den bevorstehenden Fristablauf den Sendebericht dahingehend zu überprüfen, ob dieser „in Ordnung“ sei. Welche Vorkehrungen im Büro des Prozessbevollmächtigten bestanden, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können, ist nicht dargelegt worden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beklagten auch nicht deshalb zu gewähren, weil die Antragsbegründung am Tag des Fristablaufs um 13:11 Uhr per Fax beim Verwaltungsgericht eingereicht und von dort erst am nächsten Tag an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet wurde. Eine Verletzung der Pflicht zur fristgerechten Weiterleitung an das zuständige Rechtsmittelgericht ist dem Verwaltungsgericht nicht vorzuwerfen; denn die dem erstinstanzlichen Gericht obliegende Fürsorgepflicht gebietet es lediglich, fristgebundene Schriftsätze im Zuge des „ordentlichen Geschäftsgangs“ an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995 - 1 BvR 166/93 -; BVerwG, Beschl. v. 15.07.2003 - BVerwG 4 B 83.02 -; BayVGH, Beschl. v. 27.11.2006 - 19 ZB 06.2817 -; alle zit. nach juris). Zu anderen Maßnahmen, insbesondere der Verwendung eines hausinternen Boten, ist das unzuständige Gericht nicht verpflichtet, zumal wenn - wie hier - eine besondere Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht

Normen

§ 60 VwGO; § 85 II ZPO