Mietminderung wegen Vogelkot auf dem Balkon?

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 05. 2010


Aktenzeichen

65 S 540/09


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. November 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 203 C 186/09 - unter Zurückweisung des Weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 317,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 30,62 € seit dem 06.10.2008, aus jeweils 31,91 € seit dem 06.10.2008, 06.11.2008 und 06.12.2008 sowie aus jeweils seit dem 06.01.2009, 06.02.2009, 06.03.2009, 06.04.2009, 06.05.2009, 06.06.2009 und 06.07.2009 und auf 0,01 € seit dem 11.06.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56% und die Beklagte 44% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Die Berufung ist gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässig, in der Sache aber nur zum Teil erfolgreich.

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung der von dieser vorgenommenen monatlichen Mietminderungen in Höhe von insgesamt 317,81 €, nämlich für Oktober 2008 restliche 30,62 € und in den übrigen Monaten weitere jeweils 31,91 € gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Denn die Miete war in dem streitigen Zeitraum zwischen Oktober 2008 und Juli 2007 nicht in dieser Höhe gemindert. Eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung im streitgegenständlichen Zeitraum durch Vogelkot auf den Balkonen der Beklagten ist nicht ersichtlich. Bei Balkonen handelt es sich um zur Umwelt offen gestaltete Bauteile. Die Öffnung in die Umwelt ist aber bei Balkonen und Terrassen gerade ein gewollter Umstand, er soll eine Verbindung in die äußere Umwelt vermitteln, ohne dass das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet verlassen werden muss. Er soll damit die Möglichkeit schaffen, einen Aufenthalt im Freien den dortigen Bedingungen angepasst zu vermitteln. Zu der natürlichen Umwelt gehört aber auch, dass dort Vögel, Insekten, Regen, Wind und Sturm hin gelangen und eben auch Vogelkot. Das gilt umso mehr dann, wenn sich das Gebäude mit dem Balkon in begrünten Bereichen befindet, in dem für die Fauna eine gute Lebensgrundlage herrscht. Das Auftreten von Vogelkot ist deshalb bei Balkonen und Terrassen nicht zu vermeiden und für sich genommen deshalb kein vertragswidriger Zustand. Auch ist es durchaus sozialadäquat, dass sich Bewohner von Balkonen nicht nur an der frischen Luft und der Möglichkeit erfreuen, sich dort aufzuhalten, dort Blumen zu ziehen, Wäsche zu trocknen usw., sondern sich auch an dem Flug und dem Gezwitscher von Vögeln erfreuen. Das Füttern von Vögeln in diesem Zusammenhang ist deshalb keineswegs bereits im Grundsatz nicht sozialadäquat, sondern recht verbreitet. Einen Anspruch gegen solche Mieter, dies zu unterlassen, gibt es jedenfalls solange nicht, wie es keine gesundheitlich bedenklichen Folgen oder ganz unverhältnismäßig starke Verschmutzungen gibt. Auch verhielt sich entgegen der Auffassung der Beklagten die Mitmieterin durch das Aufstellen von Wassergefäßen und das Füttern von Vögeln nicht von vorneherein pflichtwidrig. Denn nach der Hausordnung war nur das Füttern von Tauben verboten, von Tauben ist hier aber nicht die Rede. Tauben stehen nicht als Synonym für jedwede Vogelart. Sie unterschieden sich durch ihre Größe und dadurch, dass ihr Kot häufig von Krankheitserregern verunreinigt ist, von der übrigen einheimischen Vogelpopulation.

Hier reichte es auch nicht, ein vermehrtes Auftreten gegenüber früheren Zeiträumen vorzutragen, insbesondere denjenigen Zeiträumen, in denen die Mitmieterin dort noch nicht wohnte. Ein vollkommen von äußeren Einflüssen befreites Wohnen kann die Beklagte jedenfalls nicht verlangen, bis zu einem gewissen Maße hat sie dieses, soweit es sozialadäquat ist und bzw. oder aufgrund der äußeren Gegebenheiten nicht vermeidbar ist, hinzunehmen.

Lediglich ganz unverhältnismäßige Verschmutzungen durch Vogelkot wären geeignet, eine Minderung der Miete zu rechtfertigen. Solche hat die Beklagte indessen für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in ausreichendem Maße dargelegt. Ihr Vorbringen dazu ist zu ungenau geblieben. Aus den vorgelegten Fotografien vermag das Gericht wohl Verschmutzungen zu erkennen, nicht aber, dass es sich um übermäßig starke Verschmutzungen handeln würde. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, dass innerhalb von 2 Tagen 20 neue Kotflecken aufgetreten seien, dies ist aber noch nicht ausreichend, da es auf eine entsprechende Intensität über einen längeren Zeitraum ankommt und die Intensität nicht nur von der absoluten Anzahl von Kotflecken, sondern auch von der Größe der Balkone, dem flächenmäßigen Ausmaß ihrer Betroffenheit abhängt. Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass es jahreszeitlich bedingte Unterschiede aufgrund des natürlichen Wanderverhaltens eines Teils der Vogelpopulation und aufgrund ihres Brutverhaltens gibt. Soweit die Beklagte einen scharenweisen Anflug von Vögeln behauptet, hat sie nicht weiter dargelegt, was sie darunter versteht.

Aus den Angaben der Zeugin B., die bei einer Besichtigung eine starke Verkotung wahrgenommen hat, ergibt sich nichts für die Beklagte Günstigeres, weil nicht nachvollziehbar wird, was diese unter einer starken Verkotung verstanden hat. Auch die Fotos gemäß Blatt 116, 117 der Akte, auf die die Zeugin Bezug nimmt, die dem Zustand „schon näher kommen“ sollen, lassen eine in einer verhältnismäßig kurzen Zeit so starke Verkotung, die über jedes übliche im Freien herrschende Maß hinausginge, nicht nachvollziehbar erkennen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Fotos lediglich den Brüstungsbereich, nicht aber die weiteren Bereiche des Balkons erkennen lassen, in denen sich Menschen für gewöhnlich aufhalten.

2. Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Nachzahlung von Heizkosten in Höhe von 0,01 € gemäß der Abrechnung für 2007. Hier hat die Beklagte Einwendungen nicht erhoben.

Dieser Zahlungsanspruch ist durch die zur Aufrechnung gestellten Reinigungskosten für den Balkon nicht erloschen. Kann mehr als ein hinzunehmendes Verkoten der Balkone nicht festgestellt werden, so dass ein Mangel der Mietsache nicht vorliegt, so besteht auch kein Aufwendungserstattungsanspruch für die Reinigung der Balkone gegenüber der Klägerin.

3. Im Übrigen ist die Berufung ohne Erfolg.

Die Klägerin kann für den Zeitraum Oktober 2008 bis Juli 2009 keine erhöhten Betriebskostenvorschüsse von der Beklagten verlangen. Für das Jahr 2008 ist die Klägerin zwar nicht wegen des Ablaufs der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 BGB von vorneherein mit der Geltendmachung ausgeschlossen. Denn sie hat inzwischen über diesen Zeitraum ebenfalls eine Abrechnung erteilt, die die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vom 22.04.2010 auch vorgelegt hat und aus der sich ergibt, dass die geleisteten Vorauszahlungen die Gesamtkosten nicht deckten. Indessen kommt es darauf nicht an.

Denn die Grundlage für die Erhöhungserklärung der Klägerin, die Abrechnung über die kalten Betriebskosten für 2007, rechtfertigt die Erhöhung im Jahr 2008 nicht. Die Abrechnung für 2007 ist zwar formal wirksam erteilt worden. Das gilt auch bei Berücksichtigung dessen, dass die vorhergehende Vermieterin eine vergleichsweise viel stärker ins Einzelne gehende und erläuternde Betriebskostenabrechnung erteilt und vor allem die für die jeweilige Betriebskostenart angefallenen Unterkostenarten auch dargelegt und erläutert hat. Dies fordert die Rechtsprechung indessen nicht. Den dort entwickelten Anforderungen entspricht auch die Abrechnung der Klägerin. Danach sind in die Abrechnung regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug seiner Vorauszahlungen. Eine Abrechnung soll den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen, also gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 19.11.2008, - VIII ZR 295/07) unter Bezugnahme auf eine Vielzahl weiterer Entscheidungen, zitiert nach juris). Die hier streitgegenständliche Abrechnung enthält eine geordnete Aufstellung der angefallenen Gesamtkosten der jeweiligen Kostenart, sie gibt die Umlegungsschlüssel nachvollziehbar an, sie gibt die sich nach der Umlegung auf die Wohnung anteilig berechneten Kosten wieder und sie stellt die nach Zahlung der geleisteten Vorschüsse sich ergebende Nachforderung rechnerisch nachvollziehbar dar. Auch insoweit die Klägerin das Abrechnungsmuster der früheren Vermieterin nicht beibehält und Kosten einer Kostenart zusammengefasst hat, begründet dies keine Zweifel an der formalen Wirksamkeit der Abrechnung, auch wenn in diesem Fall die Orientierung für den Mieter etwas erschwert ist. Eine von diesen grundlegenden Anforderungen nicht betroffene Frage ist, ob das Zahlenwerk in der Abrechnung zutreffend ist. Hier ist die Abrechnung hinsichtlich der Kosten für den Aufzug inhaltlich so weitgehend unrichtig, dass diese Position keine Berücksichtigung finden kann. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie den bestehenden Vertrag über die Fahrstuhlwartung fortgeführt habe. Aus der von der Beklagten vorgelegten Abrechnung für das frühere Jahr 2006 der vorhergehenden Verwaltung ergibt sich aber, dass insoweit ein sogenannter Vollwartungsvertrag abgeschlossen worden war, der auch Instandsetzungs- also Reparaturarbeiten umfasste. Bei solchen Kosten handelt es sich indessen nicht um Betriebskosten gemäß Anlage III zu § 27 der 2. BV, auf die der Mietvertrag in § 3 Ziff. 3 Bezug genommen hat. Umlegungsfähige Betriebskosten für den Aufzug sind danach die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Beaufsichtigung, der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Reinigung der Aufzugsanlage. Kosten für die über diese Wartung hinausgehende Instandhaltung bzw. Instandsetzung sind deshalb heraus zu rechnen (vgl. Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl. A. II. Rn. 27, 66). Die frühere Verwaltung hatte deshalb einen pauschalen Abzug von 20% der Gesamtkosten vorgenommen, wie sie in ihrer Betriebskostenabrechnung für 2006 auf Seite 6 unten, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.07.2009 eingereicht hat, erläutert hatte. Diesen Abzug hat die Klägerin ausweislich ihrer Abrechnung nicht vorgenommen. Offensichtlich ist das auch die Ursache für die Erhöhung dieser Betriebskostenart bei der Kostenumlegung und nicht etwa eine vorgenommene TÜV-Untersuchung. Denn diese ist auch im Vorjahr 2006 von der Vorverwaltung abgerechnet worden, wie dort auf Seite 7 der Abrechnung erläutert worden ist. Muss aber von einem Vollwartungsvertrag ausgegangen werden, der regelmäßig auch Reparaturen erfasst, genügt ein einfaches Bestreiten der Kosten durch den Mieter und der Vermieter muss dann die umlegbaren Kosten nachvollziehbar darlegen, was auch einen vorzunehmenden Abzug erfasst (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 20.02.2008 - VIII ZR 27/07 - zitiert nach juris, für den vergleichbaren Fall der Hauswartkosten). Da hier die Klägerin den allein umlegungsfähigen Teil der Betriebskosten nicht dargelegt hat und ihre Erklärung, dass die Kostenerhöhung auf durchgeführten TÜV-Untersuchungen basiere, offensichtlich unzutreffend ist, weil solche auch im Vorjahr erfolgten, sind die gesamten diese Kostenart betreffenden Betriebskosten (541,20 €) aus der Abrechnung heraus zu nehmen, so dass sich weder eine Nachzahlung auf die Betriebskosten für 2007 rechtfertigt noch eine Erhöhung der Betriebskostenvorschüsse, die die von der Beklagten bereits gezahlten Vorschüsse übersteigen würde. Ohne Vortrag der Klägerin zur Umlagefähigkeit der Kosten für den Aufzug im Sinne dieser Ausführungen verbietet sich eine Schätzung durch das Gericht.

Deshalb steht der Klägerin aus den dargelegten Gründen kein Anspruch auf Nachzahlung der geltend gemachten 212,94 € für Betriebskosten aus dem Jahr 2007 zu.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Revisionsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Frage, ob ein Zustand der Mietsache einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB darstellt, eine solche des Einzelfalls dar.

Vorinstanzen

AG Charlottenburg, Az 203 C 186/09

Rechtsgebiete

Mietrecht; Garten- und Nachbarrecht; Nachbarrecht

Normen

BGB §§ 535, 556