Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privat-Meinungsforschungsgutachten i.S.d. §§ 91 ZPO ff.

Gericht

Brandenburgisches OLG


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

11. 05. 2011


Aktenzeichen

6 W 87/10


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Der Verfügungskläger nahm die Verfügungsbeklagte auf Untersagung einer Werbung der Verfügungsbeklagten in Anspruch. Das Landgericht hat den Antrag mit Urteil vom 17.06.2009 abgewiesen. Mit der gegen das Urteil eingelegten Berufung hat der Verfügungskläger ein von ihm eingeholtes Meinungsforschungsgutachten vorgelegt und gestützt hierauf geltend gemacht, dass die streitige Werbung entgegen der Ansicht des Landgerichts irreführend sei, weil sie vom Verbraucher in der Weise verstanden werde, wie er, der Verfügungskläger, es vorgetragen habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat die Verfügungsbeklagte die begehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Kosten des Verfahrens hat das Oberlandesgericht der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht - Rechtspfleger - die von der Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger zu ersetzenden Kosten auf € 9.101,71 festgesetzt. Darin enthalten sind mit € 3.400,00 die Kosten des Meinungsforschungsgutachtens.

Mit der Beschwerde wendet sich die Verfügungsbeklagte gegen die Festsetzung der Kosten des Meinungsforschungsgutachtens.

Das Landgericht - Rechtspfleger - hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.


II.

Die gem. §§ 104 III, 567, 569 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des vom Verfügungskläger eingeholten Meinungsforschungsgutachtens festgesetzt, weil die Einholung des Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Kosten i.S.d. § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei, die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH WRP 2004, 1492, 1493). Für Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gilt dabei, dass auch Kosten von Privatgutachten, die grundsätzlich nicht als Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung anzusehen sind, als notwendig gelten können. Denn in diesen Verfahren sind sowohl der Verfügungsanspruch als auch der Verfügungsgrund glaubhaft zu machen, so dass die Parteien auf präsente Beweismittel i.S.d. § 294 ZPO angewiesen sind (KG NJ 2006, 276). Welche Beweismittel die verständige Partei, die auf die volle Wahrung ihrer Rechte bedacht sein darf, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich erachten kann, richtet sich nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens, ohne dass es darauf ankommt, ob das Beweismittel vom Gericht benutzt wird (OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 544; OLG Hamm RPfleger 2001, 616 f.). Diese Grundsätze gelten auch in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen, wenn es um die Feststellung einer Irreführung i.S.d. § 5 UWG geht (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 UWG, Rdnr. 2.76; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, UWG, Vorb. zu § 12 UWG, Rdnr. 183). Eine Feststellung hierzu mittels eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage einer Meinungsumfrage ist nicht etwa durch das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen (Köhler/Bornkamm, a.a.O., m.w.N.). Zwar ist, wie die Verfügungsbeklagte zu Recht ausführt, nach Übernahme des europäischen Verbraucherleitbilds in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Frage der Irreführung nach einem normativen Maßstab zu entscheiden, so dass das tatsächliche Verständnis der Verkehrskreise grundsätzlich keine unmittelbare Rolle spielt. Der Prozentsatz tatsächlich irregeführter Personen kann jedoch im Rahmen der wertenden Betrachtung ein Indiz für das Verständnis des nicht notwendig real existierenden Durchschnittsverbrauchers sein, und damit auch im Rahmen des normativen Ansatzes Bedeutung erlangen (Ulbrich, WRP 2005, 941, 942, 946).

Nach diesen Maßgaben sind vorliegend die Kosten der von dem Verfügungskläger in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage erstattungsfähig, da sie zur Glaubhaftmachung erforderlich waren und die Kosten nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen.

Der Verfügungskläger hat das Gutachten zur Vorbereitung der Berufung eingeholt und diese auch darauf gestützt, so dass seine Prozessbezogenheit nicht zweifelhaft sein kann. Auch war die Einholung des Gutachtens sachdienlich. Nach der sich für den Verfügungskläger nach dem erstinstanzlichen Urteil ergebenden Prozesssituation war es für ihn zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, die Irreführungsgefahr durch Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens glaubhaft zu machen. Der Verfügungskläger war erstinstanzlich unterlegen. Das Landgericht hatte die Frage, ob die mit dem Antrag beanstandete Werbung irreführend sei, verneint und sich dabei auf den eigenen Sachverstand sowie die von der Verfügungsbeklagten vorgelegte Erklärung ihres Abteilungsleiters für Küchenmöbel gestützt, wonach bisher noch kein Kunde davon ausgegangen sei, dass bei den angebotenen Marken zu dem Rabatt auch Elektrogeräte enthalten seien. Um seine Position in zweiter und letzter Instanz zu stärken, war der Verfügungskläger, wenn er das Berufungsverfahren erfolgreich durchführen wollte, daher gehalten, die Sachkunde der Richter der ersten Instanz in Zweifel zu ziehen und die seiner Meinung nach irreführende Werbung der Verfügungsbeklagten durch Einholung und Vorlage eines Meinungsforschungsgutachtens, dessen Kosten mit € 3.400,00 nicht unverhältnismäßig sind, glaubhaft zu machen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.

Rechtsgebiete

Kostenrecht