Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegen Arbeitgeber wegen vom Tarifvertrag abweichender Betriebsvereinbarung

Gericht

BAG


Datum

19. 04. 1999


Aktenzeichen

1 ABR 72/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Regelungssperre des § 77 Abs 3 BetrVG betrifft nicht Regelungsabreden und vertragliche Einheitsregelungen, sondern nur Betriebsvereinbarungen.

  2. Eine vertragliche Einheitsregelung, die das Ziel verfolgt, normativ geltende Tarifbestimmungen zu verdrängen, ist geeignet, die Tarifvertragsparteien in ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) zu verletzen. Das liegt insbesondere dann nahe, wenn ein entsprechendes Regelungsziel zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Form einer Regelungsabrede vereinbart wird.

  3. Zur Abwehr von Eingriffen in die kollektive Koalitionsfreiheit steht der betroffenen Gewerkschaft ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB zu (ständige Rechtsprechung). Diese kann gegebenenfalls auch verlangen, daß der Arbeitgeber die Durchführung einer vertraglichen Einheitsregelung unterläßt.

  4. Die Verfahrensart, in der ein solcher Unterlassungsanspruch zu verfolgen ist, muß zwar hier nicht geklärt werden, der Senat neigt aber zu der Ansicht, daß das Beschlußverfahren geboten ist, wenn der Betriebsrat in irgendeiner Form bei der Schaffung oder Realisierung der betrieblichen Einheitsregelung aktiv beteiligt war.

  5. Es ist daran festzuhalten, daß bei einem Günstigkeitsvergleich von tariflichen und vertraglichen Regelungen nach § 4 Abs 3 TVG nur sachlich zusammenhängende Arbeitsbedingungen vergleichbar und deshalb zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung). § 4 Abs 3 TVG läßt es nicht zu, daß Tarifbestimmungen über die Höhe des Arbeitsentgelts und über die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit mit einer betrieblichen Arbeitsplatzgarantie verglichen werden.

Tenor

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 22. September 1998 - 10 TaBV 1/97 - aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Gewerkschaft von Arbeitgebern verlangen kann, die Anwendung von Regelungen zu unterlassen, die von dem maßgebenden Tarifvertrag abweichen, jedoch in einer Absprache mit dem Betriebsrat vorgesehen und mit fast allen Arbeitnehmern des Betriebs einzelvertraglich vereinbart wurden.
Die Arbeitgeberinnen stellen in einem gemeinsamen Betrieb, in welchem der beteiligte Betriebsrat gebildet ist, mit (1996) rund 2.300 Arbeitnehmern Druckerzeugnisse her. Die Unternehmen wurden 1995 durch Ausgliederung aus der B GmbH gegründet. Diese ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Papierverarbeitung und Druck Südbaden e.V. Nach dem Vortrag der Gewerkschaft gehören auch die beteiligten Arbeitgeberinnen dem Verband an, was diese und der Betriebsrat jedoch bestreiten.
Mit dem Dachverband des zuständigen Arbeitgeberverbandes, dem Bundesverband Druck e.V., hat die beteiligte Gewerkschaft den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (MTV Arb) abgeschlossen. Zwischen ihr und dem Verband der Druckindustrie in Baden-Württemberg e.V. besteht der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Druckindustrie in Baden-Württemberg (MTV Ang). In den seit 1997 geltenden Fassungen dieser Tarifverträge ist, soweit hier von Interesse, folgendes bestimmt:
- Zuschläge für Nachtarbeit, regelmäßige Samstagsarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und Überstunden (§ 8 Nr. 1 MTV Arb; § 7 Nr. 2 MTV Ang);
- eine Antrittsgebühr für Arbeit an Sonn- und Feiertagen (§ 7 Nr. 5 und 6 MTV Arb; § 7 Nr. 8 MTV Ang);
- Dauer der regelmäßigen Wochenarbeitszeit: 35 Stunden (§ 3 Nr. 1 MTV Arb; § 5 Nr. 1 MTV Ang);
- Abgeltung aller Überstunden, sei es durch Geld oder durch Freizeit (§ 5 Nr. 3 MTV Arb; § 6 Nr. 1, § 7 Nr. 1 TV Ang).
Der MTV Arb schreibt darüber hinaus die Berücksichtigung der Überstundenvergütung einschließlich der Zuschläge bei der Lohnfortzahlung an Feiertagen vor (§ 6 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zu § 6); im MTV Ang besteht keine entsprechende Regelung.
Unter Berufung auf die schwierige Wettbewerbssituation schloß B den Druckbetrieb in D mit 600 Arbeitnehmern. Für den Standort O planten die Arbeitgeberinnen zunächst Einsparungen mit einem Jahresvolumen von 40 Mio. DM. Sie wandten sich deshalb mit Schreiben vom 16. Februar 1996 an die dort beschäftigten Arbeitnehmer:

"Liebe Mitarbeiter, der Tiefdruckmarkt hat sich in den letzten Jahren zu einem der umkämpftesten Märkte Deutschlands entwickelt. Überkapazitäten, Preisverfall, überzogene Lohnnebenkosten und anachronistische Tarifverträge haben die Ertragslage dramatisch verschlechtert. ... Auch in O werden tiefgreifende Maßnahmen erforderlich sein. Entlassungen können nur vermieden werden, wenn umfassende Kostensenkungen realisiert werden. Anders ist der Druckstandort O nicht zu halten. ..."

Nach Verhandlungen mit dem beteiligten Betriebsrat beschränkten die Arbeitgeberinnen das Sparvolumen auf jährlich 30 Mio. DM. Zu diesem Zweck wurde am 29. Februar 1996 eine "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" abgeschlossen, in der es u.a. heißt:

"Zur Sicherung der Arbeitsplätze der B Druck GmbH in O und zur Vermeidung von 400 Entlassungen sind umfassende Sparmaßnahmen erforderlich. Betriebsrat und Geschäftsführung sind sich einig, daß Einsparungen in einer Größenordnung von insgesamt DM 30 Mio. p.a. realisiert werden. Die einzelnen Sparmaßnahmen und deren Umsetzungsmodalitäten ergeben sich aus der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung. ... Die Anlage ist Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung. Betriebsrat und Geschäftsführung sind sich einig, daß die von den Tarifverträgen der Druckindustrie abweichend geregelten Inhalte zu ihrer Rechtswirksamkeit der einzelvertraglichen Zustimmung der Mitarbeiter bedürfen. Betriebsrat und Geschäftsführung werden sich gemeinsam bemühen, diese Zustimmung einzuholen.
Nachdem alle Mitarbeiter der B Druck GmbH sowie des Papierlagers und der Altpapierverwertung auf der Basis dieser Betriebsvereinbarung Einzelverträge abgeschlossen haben, tritt Nachstehendes in Kraft:
1. Mitarbeiter, die einen Einzelvertrag abschließen, erhalten für die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung, also bis zum 31. Dezember 2000, eine uneingeschränkte Beschäftigungsgarantie.
... Betriebsrat und Geschäftsführung vereinbaren zu den Inhalten dieser Betriebsvereinbarung absolute Vertraulichkeit. Jegliche Weitergabe unterbleibt."

In dem als Anlage beigefügten "Sparmaßnahmenkatalog" ist u.a. folgendes bestimmt:

"4. Die nachstehenden Leistungen werden für die Beschäftigten der B Druck GmbH sowie für die Mitarbeiter der Altpapierverwertung und des Papierlagers mit sofortiger Wirkung, zum 1. April 1996, wie folgt verändert:
4.1. Die Vergütung im Urlaubs- und Krankheitsfall und an Feiertagen erfolgt ohne Einbezug der Überstundenvergütung.
4.2. Zuschläge für
- Nachtarbeit
von 18 bis 24 Uhr 23%
von 0 bis 6 Uhr 45%
- Sonntagsarbeit 88%
- Feiertagsarbeit 125%
- Überstunden (einheitlich für alle Schichten) 30%
Die Zuschläge für Regelarbeitszeit am Samstag sowie die Antrittsgebühr entfallen.
Die Änderung dieser Leistungen ist einzelvertraglich zu vereinbaren.
7. Zur Erreichung der Ziele dieser Rahmenvereinbarung vereinbaren Geschäftsführung und Betriebsrat für alle Beschäftigten der B Druck GmbH sowie der Abteilungen Papierlager und Altpapier eine wöchentliche Arbeitszeit von netto 39 Stunden. Die 36. und 37. Wochenstunde ist mit der derzeitigen Vergütung abgegolten. Für die 38. und 39. Wochenstunde wird die Grundvergütung bezahlt. Für die 36. bis 39. Arbeitsstunde pro Woche gelten ansonsten die in Nr. 4.2. veränderten Zuschläge. ..."

Die Zuschläge nach Nr. 4.2 sind niedriger als die tariflichen.
Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 1. März 1996 forderten die Arbeitgeberinnen und der Betriebsrat die Arbeitnehmer auf, den Sparmaßnahmen mit folgender Erklärung zuzustimmen:

"Ich erkläre, daß die von Helmar K , Gerd S und Dr. Jürgen T am 29. Februar 1996 unterschriebenen Vereinbarungen "Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Entlassungen" für mich nicht nur als Betriebsvereinbarung, sondern auch ganz persönlich für mich als Inhalt meines persönlichen Arbeitsvertrages gelten sollen. Die sich daraus ergebenden Änderungen meines Arbeitsvertrages kenne ich aufgrund der ausführlichen Erläuterungen durch die Geschäftsführung, Mitarbeiter der Personalabteilung und Mitglieder des Betriebsrats. ..."

Nach wiederholten Aufforderungen unterschrieben fast alle Arbeitnehmer diese Erklärung (nach Angaben der Arbeitgeberinnen 98,5%). Daraufhin schlossen die Arbeitgeberinnen mit dem Betriebsrat am 3. Mai 1996 eine Zusatzvereinbarung zur Betriebsvereinbarung vom 29. Februar 1996 ab, die u.a. folgende Regelungen enthält:

"1. Die Betriebsvereinbarung und die vereinbarten Vertragsergänzungen treten am 1. Juni 1996 in Kraft. ...
3. Aus Respekt vor ihrer abweichenden Meinung wird die Betriebsvereinbarung vom 29. Februar 1996 mit ihren Rechten und Pflichten nicht angewendet auf Mitarbeiter der B Druck GmbH O sowie des Papierlagers und der Altpapierverwertung, die keine Vertragsergänzungen mit den Inhalten der Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben. Für sie wird hiermit unter entsprechender Anwendung des am 19. April 1996 zwischen dem Bundesverband Druck und der IG Medien abgeschlossenen Tarifvertrags eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich vereinbart. Sie sind grundsätzlich von Überstunden befreit. ..."

Im April 1996 unternommene Versuche der Gewerkschaft, mit den Arbeitgeberinnen in Verhandlungen über Firmentarifverträge einzutreten, waren erfolglos geblieben.

Die Gewerkschaft hat die Auffassung vertreten, sie könne von den Arbeitgeberinnen verlangen, die Durchführung der Vereinbarungen zu unterlassen, soweit diese in Widerspruch zu den Manteltarifverträgen stünden. Bei den mit dem Betriebsrat getroffenen Regelungen handele es sich um Betriebsvereinbarungen, die tariflich festgelegte Arbeitsbedingungen zum Inhalt hätten und daher unter das Verbot des § 77 Abs. 3 BetrVG fielen. Selbst wenn es sich um Regelungsabreden handelte, würden sie von dieser Vorschrift erfaßt. § 77 Abs. 3 BetrVG wolle generell Beeinträchtigungen der Tarifautonomie durch kollektivrechtliche Absprachen im Betrieb verhindern. Die Mißachtung des Gesetzes stelle einen groben Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
Der Unterlassungsanspruch ergebe sich auch aus den §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG, denn die Verstöße gegen geltende Tarifbestimmungen verletzten die Tarifvertragsparteien in deren Betätigungsrecht als Koalitionen. Dieser Anspruch erfasse auch einheitsvertragliche Gestaltungen, wie sie hier von den Arbeitgeberinnen durchgesetzt worden seien.

B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung können die Anträge der Gewerkschaft nicht abgewiesen werden. Ob sie begründet sind, kann der Senat indessen anhand des bisher ermittelten Sachverhalts nicht abschließend beurteilen.
I. Der Unterlassungsantrag (Antrag zu 1) ist zulässig.
1. Er bedarf allerdings der Auslegung, denn der Wortlaut bringt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, ob sich der Antrag auf die Durchführung von Betriebsvereinbarungen, von Individualvereinbarungen oder von beidem beziehen soll.
Letzteres ist - in einem Eventualverhältnis - anzunehmen. Der Gewerkschaft geht es darum, die Durchführung derjenigen Regelungen abzuwehren, welche sie als tarifwidrig betrachtet, die aber dennoch die Arbeitsverhältnisse im Betrieb gestalten sollen. Dabei kommt es ihr nicht darauf an, ob die bekämpften Wirkungen von Betriebsvereinbarungen oder von Einzelvereinbarungen ausgehen. Für dieses Verständnis des Antrags spricht dessen Wortlaut, der sowohl Betriebsvereinbarungen nennt als auch die Vereinbarungen, welche die Arbeitgeberinnen mit den einzelnen Arbeitnehmern getroffen haben. Unsicherheit ergibt sich insoweit allerdings daraus, daß die einzelvertraglichen Bestimmungen nicht als eigenständige Regelungen, sondern nur als Ergebnisse der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen genannt sind, und daß die Gewerkschaft in der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt hat, die Individualverträge seien nur ein unselbständiger Annex der Absprachen mit dem Betriebsrat, um deren Durchführung es letztlich gehe. Es erscheint indessen folgerichtig, daß die Gewerkschaft die kollektivvertraglichen Absprachen als Antragsgegenstand in den Vordergrund rückt, denn sie argumentiert in erster Linie damit, daß es sich bei ihnen um Betriebsvereinbarungen handele. Diese gelten im Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) und bedürfen daher nicht der individualvertraglichen Umsetzung.
Das steht keineswegs einer Auslegung entgegen, wonach die mit den Arbeitnehmern abgeschlossenen Einzelvereinbarungen zumindest ebenfalls Antragsgegenstand sein sollen. Der Unterlassungsantrag soll nämlich auch den Fall erfassen, daß die Absprachen mit dem Betriebsrat nicht als Betriebsvereinbarungen, sondern als Regelungsabreden zu qualifizieren sind. Diese können die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern nicht unmittelbar gestalten. Vielmehr bedarf es dazu der Umsetzung durch ergänzende Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern oder durch sonstige Maßnahmen auf individualrechtlicher Ebene (BAG Urteil vom 14. Februar 1991 - 2 AZR 415/90 - AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit, zu IV 3 der Gründe). Der Möglichkeit, daß es sich vorliegend um Regelungsabreden handelt, trägt die Gewerkschaft bei der Begründung ihres Antrags ausdrücklich Rechnung. Deshalb muß er, soll er nicht zu kurz greifen, dahin verstanden werden, daß den Arbeitgeberinnen auch die Durchführung der zur Umsetzung etwaiger Regelungsabreden erforderlichen Individualvereinbarungen untersagt werden soll.
2. Gegen die Zulässigkeit des Antrags ergeben sich keine Bedenken daraus, daß er im Beschlußverfahren verfolgt wird.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß es nach den §§ 88, 65 ArbGG nicht mehr zu prüfen hatte, ob das Beschlußverfahren hier die zulässige Verfahrensart ist. Nach § 93 Abs. 2, § 65 ArbGG gilt dies ebenso für die Rechtsbeschwerdeinstanz. Zwar ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluß, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart mitentschieden hat (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 65 Rz 14; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 65 Rz 2, 4; ebenso zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG Urteil vom 26. März 1992 - 2 AZR 443/91 - AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, zu II 2 der Gründe; zuletzt BAG Beschluß vom 14. Dezember 1998 - 5 AS 8/98 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 1 der Gründe). Diese Voraussetzung liegt aber hier nicht vor.
b) Im übrigen neigt der Senat zu der Auffassung, daß vorliegend das Beschlußverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG die zutreffende Verfahrensart ist, weil es um Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz geht. Soweit der Antrag auf § 23 Abs. 3 BetrVG gestützt wird, ergibt sich das schon daraus, daß die Gewerkschaft einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch geltend macht. Aber auch ein Anspruch, der (wie im vorliegenden Fall) aus den §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG hergeleitet wird, kann eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit betreffen. Das liegt besonders dann nahe, wenn sich der Antrag gegen die Durchführung von Betriebsvereinbarungen richtet. Verfahrensgegenstand sind nämlich normative Regelungen, für die das Betriebsverfassungsgesetz sowohl die rechtliche Grundlage bietet wie auch den Vollzug durch den Arbeitgeber fordert (vgl. BAGE 68, 200, 207 f. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B I 2 der Gründe).
Kein wesentlicher Unterschied besteht, wenn Regelungsabreden und deren individualrechtliche Umsetzung angegriffen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die von der Gewerkschaft bekämpfte Abweichung von den tariflichen Arbeitsbedingungen hier - anders als im Fall der abweichenden Betriebsvereinbarung - nicht bereits durch die Absprache mit dem Betriebsrat, sondern erst durch die arbeitsvertragliche Umsetzung bewirkt wird. Es ist aber zu berücksichtigen, daß auch insoweit die behauptete Rechtsverletzung von einem gemeinsamen Handeln der Betriebsparteien ausgeht. Hinzu kommt, daß nicht immer klar erkennbar ist, ob es sich bei den umstrittenen Absprachen um Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden handelt. Es widerspräche den Erfordernissen der Prozeßwirtschaftlichkeit, wenn erst nach einer Klärung dieser Frage die zutreffende Verfahrensart erkennbar würde.
Ein Urteilsverfahren kommt danach für Ansprüche der vorliegenden Art wohl nur dann in Betracht, wenn Regelungen angegriffen werden, die allein auf entsprechenden Vereinbarungen des Arbeitgebers mit den Arbeitnehmern beruhen, ohne daß ein Betriebsrat mitgewirkt hätte, vielleicht nicht einmal vorhanden wäre. In solchen Fällen kann ein Unterlassungsantrag der Gewerkschaft gegen den Arbeitgeber zu einem Urteilsverfahren im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG führen. Es geht dann in einem Rechtsstreit zwischen tariffähigen Parteien aus unerlaubter Handlung um die Vereinigungsfreiheit und nicht zugleich um betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
3. Die Gewerkschaft ist antragsbefugt.
a) Die Senatsrechtsprechung, nach der eine Gewerkschaft nicht generell befugt ist, vom Gericht die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG feststellen zu lassen (BAG Beschluß vom 23. Februar 1988 - 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979, zu C der Gründe; kritisch z.B. Grunsky, DB 1990, 526; Matthießen, DB 1988, 285), steht dem nicht entgegen. Diese Rechtsprechung beruht auf der Annahme, daß Betriebsvereinbarungen zunächst die Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sowie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern betreffen und daß die Gewerkschaft an diesen Rechtsverhältnissen nicht beteiligt sei. Anders verhält es sich jedoch bei Unterlassungsanträgen der vorliegenden Art. Hier verteidigt die Gewerkschaft eigene Rechte. Das gilt zunächst schon für den Rückgriff auf einen eigenen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Vor allem aber gilt es, soweit sich die Gewerkschaft gegen Verletzungen ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit wendet (BAGE 68, 200, 208 ff. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B II der Gründe).
b) Die Gewerkschaft ist auch befugt, den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch allein zu verfolgen.
Im Beschluß vom 23. Februar 1988 (- 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979, zu C II der Gründe) hatte der Senat noch ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob eine Antragsbefugnis zum Schutz der durch einen Tarifvertrag ausgeübten Tarifautonomie nur von beiden Tarifvertragsparteien gemeinsam oder auch von einer allein ausgeübt werden kann. Später ist er ohne weiteres davon ausgegangen, daß es insoweit keines gemeinsamen Vorgehens bedarf (BAGE 68, 200, 208 ff. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B II der Gründe).
Hieran ist festzuhalten. Soweit sich die Gewerkschaft auf § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stützt, ergibt sich ihre Antragsbefugnis schon daraus, daß die Vorschrift ein Antragsrecht nur für die Gewerkschaft, nicht dagegen für den Arbeitgeberverband vorsieht. Eine entsprechende Festlegung fehlt zwar in der alternativ herangezogenen Anspruchsgrundlage in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG. Dennoch zwingt der Umstand, daß ein Tarifvertrag das Ergebnis gemeinsam ausgeübter Tarifautonomie ist, noch nicht zu der Rechtsfolge, daß keine der Tarifvertragsparteien allein antragsbefugt sein könnte. Der Bestand des Tarifvertrags, über den beide im Grundsatz nur gemeinsam verfügen können, wird nämlich von der beantragten Gerichtsentscheidung nicht betroffen. Es geht vielmehr ausschließlich darum, den Geltungsanspruch des Tarifvertrags in der Praxis gegenüber unzulässigen konkurrierenden oder abweichenden Vereinbarungen zu verteidigen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Tarifvertragsparteien keineswegs stets in gleicher Weise an der Beachtung der verschiedenen Tarifbestimmungen interessiert sind (Däubler, BB 1990, 2256, 2262). Das folgt aus dem Kompromißcharakter, den Tarifverträge regelmäßig aufweisen. Hierauf beruht auch der allgemein anerkannte tarifvertragliche Einwirkungsanspruch. Dieser berechtigt jede Tarifvertragspartei, von der jeweiligen Gegenspielerin zu verlangen, ihre Mitglieder mit verbandsrechtlichen Mitteln zur Tariftreue anzuhalten (BAGE 70, 165 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; vgl. zuletzt Walker, Festschrift für Schaub, 1998, S. 743).
4. Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß er letztlich offen läßt, von welcher Rechtsnatur - und damit von welcher rechtlichen Wirkung - der betrieblichen Absprachen die Gewerkschaft ausgeht. Entscheidend ist, daß sich der Antrag gegen die Durchführung beider denkbaren Möglichkeiten wendet, also sowohl einer einzelvertraglichen als auch einer normativen Regelung, wobei die beanstandeten Inhalte hinreichend genau umschrieben sind.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen verkannt, unter denen die Gewerkschaft verlangen kann, daß die Arbeitgeberinnen die Durchführung der umstrittenen Vereinbarungen unterlassen.
1. Zunächst ist dem Landesarbeitsgericht allerdings in der Annahme zu folgen, daß die Gewerkschaft ihren Antrag nicht auf einen groben Verstoß der Arbeitgeberinnen gegen Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 23 Abs. 3 BetrVG) stützen kann.
a) Immerhin kann im Abschluß einer Betriebsvereinbarung, die tariflich geregelte Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hat und deshalb gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt, nach der Senatsrechtsprechung eine Pflichtverletzung im Sinne des § 23 BetrVG liegen. Der Senat sieht bisher § 77 Abs. 3 BetrVG als eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung an, deren Beachtung § 23 Abs. 1 und 3 BetrVG gewährleisten soll (BAGE 73, 291, 300 f. = AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III 2 a der Gründe; BAGE 68, 200, 211 = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B III 1 b der Gründe). Diese Rechtsprechung hat jedenfalls im Ergebnis fast einhellige Zustimmung gefunden (z.B. Trittin in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 23 Rz 84; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 23 Rz 60; GK-BetrVG/Wiese/Oetker, 6. Aufl., § 23 Rz 184).
Es läßt sich indessen einwenden, daß zweifelhaft sei, ob § 23 Abs. 1 und 3 BetrVG überhaupt als Vorkehrungen zur Abwehr von Verstößen gegen § 77 Abs. 3 BetrVG gedacht waren. Man kann § 23 BetrVG mit guten Gründen so verstehen, daß nur das ordnungsgemäße Funktionieren der Betriebsverfassung im Zusammenspiel von Arbeitgeber und Betriebsrat gewährleistet werden soll. Aus dieser Sicht wäre § 77 Abs. 3 BetrVG, der den Kompetenzbereich der Betriebsverfassung und damit die gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten der Betriebspartner zugunsten der Tarifautonomie gerade einschränkt, keine "Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung", denn sein Zweck wäre nicht vom Schutzgegenstand des § 23 BetrVG umfaßt (in diesem Sinne Löwisch, BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 17; ähnlich Pfarr/Kocher, Kollektivverfahren im Arbeitsrecht, 1998, S. 48 f.). Ein solches Verständnis ließe sich auch auf die Erwägung stützen, daß sich die Systemüberschreitung, die § 77 Abs. 3 BetrVG verhindern will, kaum mit Hilfe der Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes als "grober Verstoß" einordnen läßt, vielmehr als Wertungsmaßstab die Tarifautonomie als Schutzgegenstand des § 77 Abs. 3 BetrVG unentbehrlich ist. Die Frage kann hier jedoch auf sich beruhen.
b) Hier liegt jedenfalls kein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG vor.
aa) Die Vorschrift verbietet nur Betriebsvereinbarungen, nicht dagegen Regelungsabreden.
(1) Dies entspricht der im Schrifttum vorherrschenden Meinung (z.B. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 77 Rz 90; ErfK/Hanau/Kania, § 77 BetrVG Rz 71; GK-BetrVG/Kreutz, 6. Aufl., § 77 Rz 114; Wank in Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 4 Rz 577; Fischer, Die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen, 1998, S. 217 f.; Walker, Festschrift für Wiese, 1998, S. 603, 606 f.; Waltermann, RdA 1996, 129, 132). Das Bundesarbeitsgericht hat zwar hierzu noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. Es ist indessen stillschweigend ebenfalls von diesem Verständnis ausgegangen. Als Gegenstand des § 77 Abs. 3 BetrVG hat es "das Verhältnis der Tarifvertragsparteien und der Betriebspartner in ihrer Befugnis" bezeichnet, "die Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung zu regeln" (BAGE 85, 208, 218 = AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu II 2 a der Gründe; BAGE 68, 200, 211 = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B III 1 b der Gründe). Eine normative Wirkung kommt aber Regelungsabreden nicht zu, so daß sich das Problem einer Normkonkurrenz nicht stellt. Keinesfalls erfaßt die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vereinbarungen auf individualvertraglicher Ebene (BAGE 85, 208, 219 = AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu II 2 c der Gründe; BAGE 82, 89, 98 = AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu II 2 der Gründe; Urteil vom 23. August 1989 - 5 AZR 391/88 - AP Nr. 42 zu § 77 BetrVG 1972, zu II der Gründe). Solche Vereinbarungen sind jedoch regelmäßig zur Umsetzung einer Regelungsabrede erforderlich.
(2) Gegen die Beschränkung des § 77 Abs. 3 BetrVG auf Betriebsvereinbarungen wird eingewandt, sie verfehle den Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG. Dieser liege darin, jede betriebliche Konkurrenzordnung zum Tarifvertragssystem auszuschließen, auch vertragliche Einheitsregelungen auf der Grundlage von Regelungsabreden (z.B. Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 78; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 328; MünchArbR/Matthes, § 318 Rz 71; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 277; Zachert, RdA 1996, 140, 145). Hierauf beruft sich auch die Rechtsbeschwerde. Ihre Begründung kann jedoch nicht überzeugen.
Dabei kommt allerdings dem Umstand, daß § 77 Abs. 3 BetrVG nur Betriebsvereinbarungen nennt, keine entscheidende Bedeutung zu. Der Wortlaut reicht hier zur Begründung eines Umkehrschlusses nicht aus. Zutreffend wird insoweit darauf verwiesen, daß Regelungsabreden auch sonst nirgends im Betriebsverfassungsgesetz erwähnt werden (z.B. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 328). Entscheidend ist vielmehr der Zweck der Vorschrift. § 77 Abs. 3 BetrVG soll eine Konkurrenz zur tariflichen Normsetzung auf der betrieblichen Ebene ausschließen. Eine solche Konkurrenz liegt aber nicht bereits im Abschluß einer Regelungsabrede. Anders als Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können Regelungsabreden mangels normativer Wirkung die Arbeitsverhältnisse nicht unmittelbar gestalten. An dieser Gestaltungsmacht setzt aber die Kompetenzgrenze des § 77 Abs. 3 BetrVG an. Normsetzung durch den Betriebsrat soll den Arbeitnehmern nicht als Alternative erscheinen, die u. U. die Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Gewerkschaft überflüssig machen kann.
Überdies hätte eine erweiterte Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG für Regelungsabreden kaum praktische Bedeutung. Sie könnte zwar zur Unwirksamkeit einer Regelungsabrede im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien führen, aber die zur Umsetzung getroffenen Einheitsverträge würden nicht berührt. Die vertragliche Einheitsregelung, welche hier die betriebliche Konkurrenz zum Tarifvertrag bewirkt, liegt außerhalb der Reichweite des § 77 Abs. 3 BetrVG. Zwar wird insoweit die Auffassung vertreten (Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 78), die Sperrwirkung erstrecke sich auch auf diejenigen Einheitsverträge, bei deren Aufstellung der Betriebsrat mitgewirkt hat. Es wäre indessen widersprüchlich, wenn Einzelverträge, die der Arbeitgeber mit Billigung des Betriebsrats abgeschlossen hat, schärfer sanktioniert würden als inhaltsgleiche Einzelverträge, die ohne Beteiligung des Betriebsrats zustande gekommen sind. Eine solche Auslegung verlöre die Tarifautonomie als Schutzgut des § 77 Abs. 3 BetrVG aus dem Blick.
bb) Bei den Vereinbarungen vom 29. Februar und vom 3. Mai 1996 zwischen den Arbeitgeberinnen und dem Betriebsrat handelt es sich jedenfalls hinsichtlich derjenigen Bestandteile, die Gegenstand des Unterlassungsantrags sind, nicht um Betriebsvereinbarungen, sondern nur um Regelungsabreden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde gehen fehl.
Zwar sind die Vertragstexte als Betriebsvereinbarungen bezeichnet. In ihnen ist aber das Wesensmerkmal von Inhaltsnormen in Betriebsvereinbarungen, nämlich deren normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG), ausdrücklich abbedungen. Eine verpflichtende Wirkung soll nach der Einleitung der Vereinbarung vom 29. Februar 1996 nur von den Einzelvereinbarungen ausgehen, die mit allen Arbeitnehmern abzuschließen sind. Dementsprechend ist in der Zusatzvereinbarung vom 3. Mai 1996 bestimmt, daß die Regelungen für Arbeitnehmer, welche der vorgeschlagenen Vertragsänderung nicht zugestimmt haben, nicht verbindlich sein sollen. Danach sind die Absprachen durch die typischen Merkmale von Regelungsabreden gekennzeichnet.
2. Das Landesarbeitsgericht hat indessen mit unzutreffender Begründung ausgeschlossen, daß sich der von der Gewerkschaft geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus den §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG ergeben kann.
a) Nach allgemeiner Auffassung kann der in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Unterlassungsanspruch zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen herangezogen werden. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17. Februar 1998 - 1 AZR 364/97 - AP Nr. 87 zu Art. 9 GG, zu II 4 der Gründe; BAGE 54, 353, 359 = AP Nr. 49 zu Art. 9 GG, zu III 1 der Gründe) schließt hieraus in ständiger Rechtsprechung, daß sich eine Koalition gegen rechtswidrige Eingriffe in ihre von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit Hilfe von Unterlassungsklagen wehren kann. Zum Schutzbereich des § 823 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG gehört nämlich auch das Recht der Koalition auf koalitionsmäßige, hier gewerkschaftliche Betätigung. Es wird durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistet. Der Grundrechtsschutz richtet sich nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG auch gegen privatrechtliche Beschränkungen, hat also Drittwirkung. Demnach sind Abreden, welche die Koalitionsfreiheit einschränken oder zu behindern suchen, nichtig. Hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig und mit Rechtsbehelfen zu verhindern.
Die genannte Anspruchsgrundlage wird auch nicht etwa, wie die Arbeitgeberinnen meinen, durch § 23 Abs. 3 BetrVG als speziellere Norm verdrängt. Ein Verhältnis der Spezialität zwischen beiden Regelungen ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie unterschiedlichen Zwecken dienen. Während § 23 Abs. 3 BetrVG nur die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung gewährleistet, schützen die §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG in erster Linie die Koalitionsfreiheit einschließlich der Koalitionsbetätigungsfreiheit.
b) Das Landesarbeitsgericht hat für den vorliegenden Fall einen Unterlassungsanspruch mit der Begründung verneint, die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft werde durch die streitbefangenen Regelungen nicht verletzt. Das läßt sich mit der gegebenen Begründung nicht halten.
aa) Zu Unrecht stützt sich das Landesarbeitsgericht auf den Senatsbeschluß vom 20. August 1991 (BAGE 68, 200, 215 f. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B III 2 b der Gründe).
(1) Dieser Beschluß betraf einen Antrag, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine als tarifwidrig angesehene Betriebsvereinbarung nicht durchzuführen. Der Senat verneinte eine Verletzung der Koalitionsfreiheit mit der Begründung, die Betriebsvereinbarung sei im Rahmen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG und damit in Ausübung der gesetzlichen Regelungskompetenz der Betriebspartner zustande gekommen; ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG scheide aus. Deshalb sei der Kernbereich der Koalitionsfreiheit nicht betroffen. Das Recht der Tarifvertragsparteien zur Regelung der Arbeitsbedingungen schließe nicht notwendig die Befugnis ein, die Beachtung der im Tarifvertrag gesetzten Ordnung auch durchzusetzen.
Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 29. Juni 1993 - 1 BvR 1916/91 - AP Nr. 2 a zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu II der Gründe) hielt allerdings den generellen Ausschluß von Schutzansprüchen der Gewerkschaft gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten für "nicht unproblematisch" und ließ ausdrücklich offen, ob die durch § 23 Abs. 3 i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG eröffneten Rechtsbehelfe ausreichen. Art. 9 Abs. 3 GG verlange aber jedenfalls dann keine Klagebefugnis der Gewerkschaft gegen die Betriebsparteien, wenn der betroffene Tarifvertrag diesen ausdrücklich eine gewisse Gestaltungsfreiheit eingeräumt habe, wie das im entschiedenen Fall geschehen war.
(2) Die Rechtsprechung des Senats hat teilweise Zustimmung gefunden (z.B. Oetker, SAE 1992, 158, 162; Walker, Festschrift für Schaub, 1998, S. 743, 759 f.). Es sei richtig, daß die Aufgabe der Tarifvertragsparteien in der Erzeugung, nicht dagegen in der Durchsetzung von Rechtsnormen liege. Für letzteres enthalte das geltende Recht andere Instrumente als Klagebefugnisse der Gewerkschaft. Das Bundesarbeitsgericht hat aber auch grundsätzliche Kritik erfahren (z.B. Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 85; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1391; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 633 f.; Kempen in Kempen/Zachert, Tarifvertragsgesetz, 3. Aufl., § 4 Rz 104 ff.; Kittner, Festschrift für Stahlhacke, 1995, S. 247, 254 f.; Pfarr/Kocher, Kollektivverfahren im Arbeitsrecht, 1998, S. 48). Insbesondere könne die Differenzierung zwischen Betriebsvereinbarungen, die gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen einerseits, und andererseits betrieblichen Regelungen, die in Ausübung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG zustande gekommen sind, nicht überzeugen. Auch wird geltend gemacht, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe ihre Grundlage verloren, nachdem das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - AP Nr. 80 zu Art. 9 GG, zu B I 3 der Gründe; Beschluß vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP Nr. 2 zu § 57 a HRG, zu C I 1 der Gründe) den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG nicht mehr lediglich auf einen Kernbereich der Koalitionsbetätigung beziehe, sondern alle koalitionsspezifischen Betätigungen als geschützt ansehe (Kempen in Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rz 104).
In der Tat sind Zweifel angebracht, ob die Trennlinie zwischen mitbestimmungspflichtigen und mitbestimmungsfreien Betriebsvereinbarungen zugleich die Grenze markiert, von der der Schutz der Koalitionsfreiheit und damit ein Abwehrrecht der Gewerkschaft abhängig sein kann. Es besteht kein genereller Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung des Mitbestimmungsrechts und dem Gewährleistungsbereich der Koalitionsfreiheit. Dies mag indessen auf sich beruhen.
Das Landesarbeitsgericht hat nämlich verkannt, daß die Erwägungen des Senats in dem angeführten Beschluß auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind. Es geht hier nicht um Vereinbarungen aufgrund von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Der Unterlassungsantrag richtet sich vielmehr ausschließlich gegen Regelungen, welche generell den Wegfall oder die Reduzierung tariflicher Entgeltansprüche oder die Verlängerung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit betreffen. Der Betriebsrat hat aber weder hinsichtlich des Gesamtaufwands für Arbeitsentgelte noch hinsichtlich der Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit mitzubestimmen (BAGE 77, 86, 90 = AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 1 der Gründe; BAGE 73, 291, 303 = AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III 2 c aa der Gründe). Überdies sind die Regelungen, die zur Einschränkung von Tarifansprüchen führen, ausschließlich in Individualverträgen enthalten. Auch deshalb fehlt hier ein Ansatz für Erwägungen, welche an die erzwingbaren Normierungsbefugnisse der Betriebsparteien anknüpfen.
bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft durch eine betriebseinheitliche Regelung, welche tarifwidrige Arbeitsbedingungen schaffen will, beeinträchtigt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschluß vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP Nr. 2 zu § 57 a HRG, zu C I 1 der Gründe) setzt sich die individualrechtliche Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG, zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, in einem Freiheitsrecht der gebildeten Koalitionen fort. Dieses schützt sie in ihrem Bestand und in Betätigungen, die den genannten Zwecken dienen. Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle Verhaltensweisen, die koalitionsspezifisch sind. Hierzu gehört insbesondere der Abschluß von Tarifverträgen. Dabei bezieht sich der den Koalitionen zur Regelung überlassene Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auf solche Materien, die sie in eigener Verantwortung zu ordnen vermögen. Dazu gehören vor allem das Arbeitsentgelt und andere materielle Arbeitsbedingungen wie etwa die Arbeitszeit.
Die dergestalt von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Regelungsbefugnis wird nicht erst dann beeinträchtigt, wenn eine Koalition daran gehindert wird, Tarifrecht zu schaffen. Eine Einschränkung oder Behinderung der Koalitionsfreiheit liegt vielmehr auch in Abreden oder Maßnahmen, die zwar nicht die Entstehung oder den rechtlichen Bestand eines Tarifvertrags betreffen, aber darauf gerichtet sind, dessen Wirkung zu vereiteln oder leerlaufen zu lassen. Die Tarifnorm kann dann ihren Zweck nicht erfüllen, den Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu ordnen, der ihren Gegenstand bildet. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß entsprechende Abreden nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig sind, also die tarifliche Ordnung nicht in rechtlich erzwingbarer Weise ersetzen. Die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit liegt vielmehr darin, daß solche Absprachen faktisch geeignet sind, schon aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten (vgl. zum Anspruch auf Beseitigung von mitbestimmungswidrigen Anweisungen Senatsbeschluß vom 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz, zu B III der Gründe). Die verbreitete Praxis tarifwidriger Vereinbarungen (z.B. Gentz, Festschrift für Schaub, 1998, S. 205, 206; ArbG Marburg Beschluß vom 7. August 1996 - 1 BV 6/96 - NZA 1996, 1331 f.) belegt dies. Folgerichtig stellt Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG auf die Zielrichtung einer Absprache oder Maßnahme ab und nicht nur auf deren rechtliche Wirkung.
Das bedeutet allerdings nicht, daß schon jede tarifwidrige Vereinbarung zugleich als Einschränkung oder Behinderung der Koalitionsfreiheit zu werten wäre. Tarifnormwidrige Regelungen in einzelnen Arbeitsverträgen oder fehlerhafte Anschlußregelungen auf der betrieblichen Ebene stellen den maßgebenden Tarifvertrag noch nicht in Frage. Von einem Eingriff in die Tarifautonomie kann vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn eine Tarifnorm als kollektive Ordnung verdrängt und damit ihrer zentralen Funktion beraubt werden soll. Das setzt eine betriebliche Regelung voraus, die einheitlich wirken und an die Stelle der Tarifnorm treten soll. Bei tarifnormwidrigen Betriebsvereinbarungen ist das im Zweifel anzunehmen. Aber auch vertragliche Einheitsregelungen sind bewährte Instrumente zur Gestaltung der betrieblichen Ordnung (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972). Das ist offenkundig, wenn die vertragliche Einheitsregelung auf einer Regelungsabrede beruht oder wenn die entsprechenden Vertragsangebote - wie hier - ausdrücklich vom Betriebsrat unterstützt werden. Die dafür gegebene Begründung kann den kollektiven Charakter sowie die bewußte Kollision mit geltendem Tarifrecht besonders deutlich machen.
Geltendes Tarifrecht wird allerdings nur dann verdrängt, wenn der betreffende Tarifvertrag im Anwendungsbereich der fraglichen betrieblichen Regelung normativ gilt. Soweit diese Voraussetzung fehlt, besteht nämlich kein Geltungsanspruch des Tarifvertrags, und der Arbeitgeber ist frei, mit seinen Arbeitnehmern untertarifliche Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hindert ihn hieran nicht (BAG Urteil vom 20. Juli 1960 - 4 AZR 199/59 - AP Nr. 7 zu § 4 TVG).
cc) Der Annahme, daß eine tarifwidrige betriebliche Regelung als Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit wirken kann mit der Folge, daß die Gewerkschaft befugt ist, hiergegen mit einem Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB vorzugehen, steht die Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Einwirkungsklage nicht entgegen. Nach dieser kann jede Tarifvertragspartei von ihrer Partnerin verlangen, auf deren Mitglieder einzuwirken, damit sich diese an den Tarifvertrag halten und tarifwidrige betriebliche Regelungen unterlassen (BAGE 70, 165, 173 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht).
Zum einen setzt die Existenz eines solchen Anspruchs nicht denknotwendig voraus, daß ein Unterlassungsanspruch mit dem gleichen Ziel ausgeschlossen sein müßte. Auch bei dessen Anerkennung behält die Einwirkungsklage ihre Funktion als ein zusätzliches Mittel zur Durchsetzung des Tarifvertrages. Sie ist zwar weniger effektiv, geht aber insofern weiter, als sie die Erfüllung tarifvertraglicher Verpflichtungen und nicht lediglich die Unterlassung hiergegen verstoßender Regelungen bewirken soll. Zum anderen läßt sich aus der Möglichkeit der Einwirkungsklage nicht ableiten, zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Koalitionsfreiheit durch tarifwidrige betriebliche Regelungen bedürfe es keiner Befugnis der Gewerkschaft, den betreffenden Arbeitgeber unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Dies folgt schon aus der Schwäche des Einwirkungsanspruchs, der nur auf Umwegen mit verbandsrechtlichen Mitteln zum Ziel führt (z.B. Walker, Festschrift für Schaub, 1998, S. 743, 758 f., mit weiteren Nachweisen).
c) Der dargestellte Unterlassungsanspruch gegen tarifwidrige betriebliche Regelungen schließt allerdings nicht die Befugnis der Gewerkschaft ein, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Er dient nur dem Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit. Diese ist nicht schon dadurch betroffen, daß ein Arbeitgeber Tarifansprüche nicht erfüllt, ohne damit eine tarifwidrige Einheitsregelung zu konzipieren. Geht es ausschließlich um Rechte einzelner Arbeitnehmer, müssen diese selbst tätig werden. Daher kann auch - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - aus der Befugnis staatlicher Stellen nach §§ 24, 25 HAG, Ansprüche von Heimarbeitern geltend zu machen, für oder gegen den hier streitigen Unterlassungsanspruch nichts hergeleitet werden.
III. Ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer gewerkschaftlichen Unterlassungsklage erfüllt sind, läßt sich ohne eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht abschließend beurteilen.
1. Immerhin kann der Senat schon jetzt feststellen, daß sich die Klage gegen eine betriebliche Einheitsregelung richtet, deren kollektiver Charakter offensichtlich ist, weil sie auf einer Regelungsabrede mit dem Betriebsrat beruht. Auch die zweite Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs zum Schutze der Koalitionsfreiheit ist erfüllt: Die betriebliche Regelung richtet sich gegen Tarifverträge, deren Geltungsbereiche die Druckerei der Arbeitgeberinnen in O erfassen. Einzelne Vorschriften dieser Tarifverträge sollen durch die im Antrag bezeichneten Regelungen ersetzt, die entsprechenden Arbeitsbedingungen sollen verändert werden.
a) Diese Stoßrichtung ergibt sich schon aus der Einleitung zur "Betriebsvereinbarung (Rahmenvereinbarung)" vom 29. Februar 1996. Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es um Sparmaßnahmen geht, die zur Kürzung tariflicher Ansprüche führen sollen. Die daraufhin getroffenen Vereinbarungen, die Gegenstand des Unterlassungsantrags sind, weichen tatsächlich von den korrespondierenden Tarifbestimmungen ab. Dies gilt für
- die Nichtberücksichtigung von Überstunden bei der Vergütung ausgefallener Arbeit an Feiertagen, soweit Arbeiter betroffen sind (Antrag 1 a);
- die Reduzierung der in Antrag 1 b genannten Zuschläge für Arbeiter;
- den Wegfall der in Antrag 1 c angeführten Zuschläge und Antrittsgebühren für Arbeiter und Angestellte;
- die Verlängerung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit von Arbeitern und Angestellten, soweit die zusätzliche Arbeitszeit nicht bezahlt wird oder zuschlagsfrei ist (Antrag 1d).
b) Die Abweichungen sind nicht vom Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gedeckt.
aa) Die einzelnen Entgelt- und Arbeitszeitregelungen sind hinsichtlich ihrer jeweiligen Gegenstände unstreitig für die Arbeitnehmer ungünstiger als die entsprechenden Tarifbestimmungen; ihr Zweck besteht gerade darin, die Kostenbelastung der Arbeitgeberinnen zu vermindern. Diese machen allerdings geltend, der Günstigkeitsvergleich dürfe sich nicht auf die einzelnen Regelungsgegenstände beschränken. Vielmehr sei auch die Beschäftigungsgarantie einzubeziehen, welche sie den Arbeitnehmern im Austausch gegen die vereinbarten Sparmaßnahmen zugestanden hätten. Die Erhaltung des Arbeitsplatzes um den Preis einer vermehrten Arbeitsleistung oder eines gekürzten Arbeitsentgelts sei für die Arbeitnehmer hier günstiger als die Beibehaltung der tariflichen Arbeitsbedingungen. Diese belasteten die Arbeitgeberinnen über Gebühr und zwängen zu Einschränkungen des Betriebs, was mit Entlassungen verbunden sei (ähnlich insbesondere Buchner, DB Beil. 12/1996, 10 ff.).
Ein derartiger Vergleich von Regelungen, deren Gegenstände sich thematisch nicht berühren, ist indessen methodisch unmöglich ("Äpfel mit Birnen") und mit § 4 Abs. 3 TVG nicht vereinbar. Die Vorschrift verlangt vielmehr nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im arbeitsrechtlichen Schrifttum, daß die zu vergleichenden Regelungen miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen ("Sachgruppenvergleich"). Es sind also, soweit nicht sowohl der Tarifvertrag als auch der Einzelarbeitsvertrag Anhaltspunkte für ein abweichendes Vorgehen bieten, die sachlich einander entsprechenden Regelungen zu vergleichen (BAGE 46, 50, 58 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 204 ff.; MünchArbR/Löwisch, § 265 Rz 41 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rz 198 ff.; ErfK/Schaub, § 4 TVG Rz 66 f.; Zachert in Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rz 188; Wank in Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 4 Rz 436 ff.; ebenso BAG GS - BAGE 63, 211, 220 = AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 3 der Gründe - zur Anwendung des Günstigkeitsprinzips, das als allgemeiner Grundsatz verstanden wird, auf das Verhältnis zwischen Einzelarbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung). Arbeitszeit oder Arbeitsentgelt einerseits und eine Beschäftigungsgarantie andererseits sind jedoch völlig unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Sie können nicht miteinander verglichen werden. Eine Beschäftigungsgarantie ist nicht geeignet, Verschlechterungen beim Arbeitsentgelt oder bei der Arbeitszeit zu rechtfertigen (z.B. Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193, 202; Hanau, RdA 1998, 65, 70; Reichold, ZfA 1998, 237, 252; Walker, Festschrift für Wiese, 1998, S. 603, 608; Wiedemann, Anm. zu BAG Urteil vom 18. Dezember 1997 - 2 AZR 709/96 - AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969, zu 3 b).
Nur dieses Verständnis entspricht dem Zweck des Tarifvertragsgesetzes, welches zum Schutz der Arbeitnehmer die Normwirkung von Tarifverträgen gewährleistet. Die wertende Entscheidung darüber, wie bei der Regelung der Arbeitsbedingungen das Interesse der Arbeitnehmer an möglichst hohen Entgelten mit dem unternehmerischen Interesse an geringen Arbeitskosten um der Wettbewerbsfähigkeit willen und damit auch zur Sicherung der Arbeitsplätze in Einklang gebracht werden kann, ist eine tarifpolitische Grundsatzfrage und gehört zu den typischen Aufgaben der Tarifvertragsparteien. Diesen ist es überlassen, nach ihren gemeinsamen Zweckmäßigkeitsvorstellungen einerseits Kostenfaktoren für die unternehmerische Tätigkeit und andererseits Untergrenzen der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Arbeitseinkommen, zu bestimmen. Diese Kompetenz können die Tarifvertragsparteien freilich in der Praxis nicht beliebig ausschöpfen. Sie stehen nämlich unter koalitionspolitischem Konkurrenzdruck. So muß die Gewerkschaft den Verlust von Mitgliedern fürchten, wenn sie bei ihrer Tarifpolitik deren Günstigkeitsvorstellungen, z.B. von Arbeitsentgelt und Arbeitsplatzsicherheit, nicht hinreichend berücksichtigt. Auf Arbeitgeberseite kommt als Korrektiv der Wettbewerb mit Unternehmen hinzu, die nicht der Tarifbindung unterliegen.
Die Rechtsprechung würde nicht nur ihre Möglichkeiten rationaler Kontrolle überschreiten, sondern auch in Wertungsfragen der Tarifpolitik eindringen, wollte sie die gemeinsame Meinungsbildung der Tarifvertragsparteien daraufhin überprüfen, ob sich eine andere Gewichtung der betroffenen Interessenlage für die Arbeitnehmer einzelner Betriebe günstiger auswirkt. Der nach § 4 Abs. 3 TVG vorzunehmende Günstigkeitsvergleich ist Normvollzug. Seine Maßstäbe müssen aus den Wertungen des Tarifvertrags abgeleitet werden. Ein Versuch, die normierten Wertungen im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs zu überwinden, muß schon deshalb scheitern, weil es insoweit an handhabbaren Kriterien fehlt. So lassen sich vielfach - wie auch im vorliegenden Fall - die Arbeitsplatzrisiken nicht hinreichend objektivieren. Die Entscheidung über die Schließung oder Verlegung eines Betriebs, die zum Abbau von Arbeitsplätzen führt, steht im Ermessen des Unternehmers. Seine diesbezüglichen Erwägungen, etwa zu Gewinnzielen und -erwartungen sowie zur Einschätzung von Kosten und Marktchancen, entziehen sich weitgehend richterlicher Kontrolle. Wären die Arbeitsplatzrisiken, die sich aus einer solchen Maßnahme ergeben können, in einem Günstigkeitsvergleich zu berücksichtigen, so stünde die Wirkung zwingenden Tarifrechts praktisch zur Disposition einzelner Arbeitgeber.
bb) An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die tarifgebundenen Arbeitnehmer weit überwiegend bereit sind, um ihrer Arbeitsplatzsicherheit willen auf tarifliche Rechte zu verzichten. Eine solche Entscheidung ist die (in dieser Situation möglicherweise vernünftige) Reaktion auf die vorangegangene unternehmerische Entscheidung und auf die danach für die Arbeitnehmer verbleibende Alternative. Sie ist also keineswegs völlig frei. Deshalb bestimmt § 4 Abs. 3 TVG, daß abweichende Abmachungen von den Tarifvertragsparteien gestattet werden müssen. Auch hier zeigt sich, daß das Gesetz die tarifpolitische Verantwortung für die Wirkung ihrer Regelungen den tarifschließenden Koalitionen zuweist - ganz im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG.
cc) Das soll nicht bedeuten, daß der "Sachgruppenvergleich", den das Bundesarbeitsgericht seit Jahrzehnten in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre anwendet, die allein verfassungskonforme Art des Günstigkeitsvergleichs sein müßte. Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG bedarf der rechtlichen Ausgestaltung, und der Gesetzgeber kann dabei die Tarifautonomie in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit auch einschränken (BVerfG Beschluß vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP Nr. 2 zu § 57 a HRG, zu C II 1 der Gründe). Ob es insoweit möglich ist, spezielle betriebliche Interessenlagen zu typisieren und in das Prüfungsprogramm eines Günstigkeitsvergleichs aufzunehmen, ist hier nicht zu erörtern. Solange dafür gesetzliche Grundlagen fehlen, muß § 4 Abs. 3 TVG im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG so ausgelegt werden, daß der Vorrang des Tarifvertrages gewahrt bleibt.
2. Dennoch sind im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Tatfragen bisher ungeklärt. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 77 Abs. 3 BetrVG kommt eine Verletzung der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft durch tarifwidrige Regelungen nur in Betracht, soweit der jeweils betroffene Tarifvertrag normativ gilt (oben II 2 b bb am Ende). Daher setzt auch der Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft die normative Tarifgeltung voraus. Hierzu fehlen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
a) Erste Voraussetzung ist nach § 3 Abs. 1 TVG die - zwischen den Beteiligten streitige - Tarifbindung der Arbeitgeberinnen. Das Landesarbeitsgericht wird aufzuklären haben, ob diese vorliegt.
b) Zweite Voraussetzung ist die Tarifbindung auf Arbeitnehmerseite. Die Gewerkschaft kann im allgemeinen nicht verlangen, daß der Arbeitgeber den Vollzug einer tarifwidrigen betrieblichen Regelung auch hinsichtlich der Tarifaußenseiter unterläßt. Es steht ihm grundsätzlich frei, mit nichtorganisierten Arbeitnehmern untertarifliche Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.
Nur ausnahmsweise kann ein Unterlassungsanspruch eine Regelung auch hinsichtlich dieser Arbeitnehmer erfassen. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nach seiner Zielvorgabe entsprechende Vereinbarungen keinesfalls allein mit den Tarifaußenseitern treffen wollte, sondern nur zu einer Regelung bereit war, die sich unabhängig von der Tarifbindung auf die gesamte Belegschaft oder bestimmte Teile derselben erstreckt. In diesem Fall kann die angegriffene Regelung nur für alle betroffenen Arbeitnehmer oder gar nicht Bestand haben.
Zum Anteil der tarifgebundenen Arbeitnehmer fehlen Feststellungen. Immerhin gehen alle Beteiligten ohne weiteres davon aus, daß jedenfalls ein Teil der betroffenen Belegschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft organisiert ist. Jedoch ist den Beteiligten noch rechtliches Gehör zu der Frage zu gewähren, ob die angegriffenen Regelungen nur als betriebliche Einheitsregelungen getroffen werden oder gegebenenfalls auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer beschränkt werden sollten. Ist letzteres der Fall, so kann der Unterlassungsantrag allenfalls teilweise, nämlich hinsichtlich der Gewerkschaftsmitglieder, Erfolg haben. Er ist dann auch nicht etwa als Globalantrag insgesamt unbegründet. Die stattgebende Entscheidung könnte sich vielmehr auf die Nichtdurchführung der Regelungen gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern beschränken. Eine solche Eingrenzung würde den Streitgegenstand nicht verändern, sondern könnte durch Teilabweisung des Antrags berücksichtigt werden, ohne daß die Vollstreckbarkeit dadurch ausgeschlossen würde. Allerdings müßte die Gewerkschaft, die im Vollstreckungsverfahren einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot geltend macht, die vertragswidrig einbezogenen Arbeitnehmer benennen.
IV. Wenn und soweit der Unterlassungsantrag begründet ist, kommt nach § 890 ZPO auch die mit dem Antrag zu 2 begehrte Androhung eines Ordnungsgeldes in Betracht.

Dieterich Rost Wißmann Federlin Lappe

(Diese Entscheidung ist veröffentlicht u.a. in: BAGE 91, 210-234; DB 1999, 1555-1560; BB 1999, 1657-1660; NZA 1999, 887-894; NJW 1999, 3281-3287)

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht