Sturmbedingtes Umstürzen eines kranken Baums auf Nachbars Grund

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

15. 01. 2002


Aktenzeichen

4 U 73/01


Leitsatz des Gerichts

Der Grundstückseigentümer ist seinem Nachbarn auch ohne Verschulden analog § 906 II 2 BGB zur Schadloshaltung verpflichtet, wenn ein Baum infolge eines Sturms der Stärke 7-8, dem ein gesunder Baum standgehalten hätte, auf das Nachbargrundstück fällt und dort Schaden anrichtet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. hat die Bekl. mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, die Krone einer Silberweide, die auf dem benachbarten Grundstück des Bekl. stand, sei bei einem Sturm auf seine Lagerhalle gestürzt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. ist verpflichtet, dem Kl. einen angemessenen Ausgleich in Geld für die Schäden zu gewähren, die am 10. 5. 2000 an dessen Lagerhalle entstanden sind, als der Stamm der auf ihrem Grundstück in Grenznähe stehenden Silberweide bei Sturm in 3 bis 3,5 m Höhe abbrach und die Krone auf das Gebäude stürzte.

Ob die Bekl. dafür auch auf Grund der von der Berufung neu geltend gemachten Umstände unter deliktischem Aspekt haftbar ist, kann unentschieden bleiben. Anders als das LG entschieden hat, trifft die Bekl. jedenfalls eine Pflicht zur Schadloshaltung gem. § 906 II 2 BGB. Diese Verpflichtung knüpft daran an, dass der Eigentümer des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht (= Bekl.), als Störer i.S. des § 1004 BGB zu qualifizieren war und die Störung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vor ihrem Umschlagen in einen Schaden nicht beseitigt werden konnte (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 906 Rdnr. 42 m.w. Nachw.). Die vom BGH in der vom LG angeführten Entscheidung (BGHZ 122, 283 [285] = NJW 1993, 1855) noch offen gelassene Frage, ob den Grundstückseigentümer die Verantwortlichkeit im Rahmen des § 1004 BGB trifft, wenn von ihm unterhaltene Bäume infolge Krankheit oder Überalterung ihre Widerstandskraft eingebüßt haben, ist auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des BGH abweichend vom LG zu bejahen.

Auch wenn die Eigentümerstellung als solche nicht schon ausreicht, eine Verantwortlichkeit für jedwede vom Grundstück ausgehende Gefahrenquelle zu begründen, so ist doch nach der Entscheidung BGHZ 142, 66 = NZM 1999, 821 = NJW 1999, 2896, die Verantwortlichkeit in der Sphäre des Eigentümers erwachsen, wenn ein ursprünglich nicht gefahrenträchtiger Zustand infolge natürlicher Entwicklung, etwa durch Alter oder Verschleiß, zu einer Gefahr wird, auf die der Eigentümer hätte Einfluss nehmen können. Dann steht der Eigentümer des Grundstücks, von dem die Gefahr ausgeht, dem Schaden aus Sachgründen näher als der Betroffene. In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH in einer vergleichbaren Situation eine Verpflichtung zur Schadloshaltung anerkannt, nämlich dem Geschädigten einen Ausgleichsanspruch zugesprochen, der von einem Brand betroffen worden war, der seinen Ausgang in einem technischen Defekt an elektrischen Leitungen des benachbarten Hausgrundstücks genommen hatte. Hier wie auch im vorliegenden Fall hat sich nicht ein allgemeines Risiko verwirklicht, das willkürlich jedermann treffen kann (so der Wollläuse-Fall BGH, NJW 1995, 2533), sondern ein im Grundstück angelegtes Gefahrenpotenzial („Zahn der Zeit“).

Ein gesunder Baum würde einem Sturm der Stärke 7 bis 8 Beaufort, wie er hier geherrscht hat, standgehalten haben. Es handelte sich nicht - anders als im Fall BGHZ 122, 283 = NJW 1993, 1855 - um einen Katastrophen-Orkan. Dies rechtfertigt es, die auch von Billigkeitsgesichtspunkten geprägte analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB im vorliegenden Fall Platz greifen zu lassen.

Der Höhe nach ist die Klageforderung weitgehend unbestritten. Von Gewicht ist nur das Bestreiten der Berechtigung des Kl., Mehrwertsteuer in Ansatz zu bringen. Dazu trägt der Kl. unwiderlegt vor, dass das Grundstück in seinem Privatvermögen steht und Grundstück samt Gebäude an die X-GmbH, die dort ihren Betrieb führt, verpachtet worden sind. Für den klagenden Eigentümer besteht deshalb keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht