Ende der Verjährungshemmung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

30. 06. 1998


Aktenzeichen

VI ZR 260/97


Leitsatz des Gerichts

Die Fortsetzung von Verhandlungen wird erst dann verweigert i.S. des § 852 II BGB, wenn ein Abbruch der Verhandlungen klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 21. 11. 1988 geltend. Der damals zwölf Jahre alte Kl. war von einem vom Bekl. zu 3) geführten Straßenbahnzug der Bekl. zu 2) auf dem von der Straße abgesetzten Gleiskörper erfaßt und verletzt worden.

Der Kl. begehrt von den Bekl. zu 2) und 3) als Gesamtschuldnern Ersatz von 2506 DM materiellem Schaden (Kosten für Nachhilfeunterricht) und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen, nicht übergegangenen materiellen Schäden sowie von dem Bekl. zu 3) zusätzlich ein Schmerzensgeld. Die ursprünglich gegen den Bekl. zu 1) als den Haftpflichtversicherer der Bekl. zu 2) erhobene Klage hat der Kl. zurückgenommen.

Das LG hat die am 22. 11. 1996 eingegangene und den Bekl. am 31. 1. 1996 zugestellte Klage nach Einrede der Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg. Seine Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Haftung des Bekl. zu 2) verneint worden war.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... 2. a) Nach der Aufnahme von Verhandlungen zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten ist die Verjährung gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 852 II BGB). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muß - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGHZ 93, 64 (67); Senat, VersR 1991, 475).

b) Das BerGer. stellt eine Verweigerung der Verhandlungen durch klares und eindeutiges Verhalten seitens des für die Bekl. zu 2) handelnden Versicherers nicht fest. Es prüft lediglich, ob das Schreiben des Versicherers vom 7. 12. 1989 eine Ablehnung der Einstandspflicht zum Ausdruck bringt. Auf die hiervon zu unterscheidende Frage, ob damit eine Fortsetzung der Verhandlungen klar und eindeutig verweigert wird, geht es dagegen nicht ein. Auch dem Urteil des LG ist dazu nichts zu entnehmen. Dieses geht davon aus, die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist ende schon dann, wenn der Verhandlungspartner Ansprüche verneine. Das verkennt die Rechtslage. Zwar ist ein für den Beginn der Verjährungshemmung maßgebliches "Verhandeln" i.S. des § 852 II BGB, das grundsätzlich weit zu verstehen ist (vgl. Senat, VersR 1988, 718 (719)), nicht anzunehmen, wenn der Verhandlungspartner jegliche Einstandspflicht verneint (vgl. Senat, VersR 1991, 475). Wie der Senat in der genannten Entscheidung dargelegt hat, gilt jedoch anderes für den Abbruch bereits aufgenommener Verhandlungen. Diese können auch weiterlaufen, wenn bei dem Ersatzverpflichteten eine Vergleichsbereitschaft zurücktritt, solange er gesprächsbereit bleibt. Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, daß der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt. Zu diesen Voraussetzungen aber hat das BerGer. - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - Feststellungen nicht getroffen. Es legt insbesondere nicht dar, inwiefern das genannte Schreiben einen Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt. Daß der Versicherer bereit ist, die Frage einer Einstandspflicht - unter bestimmten Voraussetzungen - neu zu prüfen, steht der Annahme eines Abbruchs von Verhandlungen im Regelfall entgegen. Warum das vorliegend anders sein sollte, ist nicht ersichtlich und wird vom BerGer. nicht dargelegt. Das Schreiben vom 7. 12. 1989 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Nach Sachlage kann der Schadensersatzanspruch nicht anerkannt werden. Gleichwohl betonen wir unsere Bereitschaft, die Angelegenheit nochmals zu prüfen, wenn Hinweise auf ein, wie von Ihnen angegebenes Mitverschulden des Strabführers nachprüfbar, nachvollziehbar, vorgelegt bzw. ausreichend begründen werden."

Der Kl. durfte diesem Schreiben des Versicherers die Aufforderung zu weiterem Vortrag entnehmen. Eine solche Aufforderung läßt keinen Abbruch der Verhandlungen erkennen, wie das für ein Ende der Verjährungshemmung gem. § 852 II BGB erforderlich wäre; sie bringt im Gegenteil die für Verhandlungen wesentliche Gesprächsbereitschaft zum Ausdruck.

III. Der Revision ist der Erfolg dagegen zu versagen, soweit sie die Abweisung der Klage gegen den Bekl. zu 3) beanstandet. Das BerGer. hat festgestellt, daß Ansprüche gegen diesen Bekl. vorprozessual zu keiner Zeit geltend gemacht worden sind. Diese Feststellung ist mit einer zulässigen Verfahrensrüge nicht angegriffen worden. Hinsichtlich des Bekl. zu 3) ist deshalb zu keiner Zeit eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen mit dem Versicherer der Bekl. zu 2) (vgl. §§ 7 Nr. 1 S. 1, 5 Nr. 7 AHB) eingetreten. Die Abweisung der Klage ist daher berechtigt.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

BGB § 852 II