Vereinbarung untertariflicher Vergütung mit ABM-Kräften

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

18. 06. 1997


Aktenzeichen

5 AZR 259/96


Leitsatz des Gerichts

  1. § 3d BAT verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, soweit er ABM-Kräfte von den Vergütungsregelungen des BAT ausnimmt.

  2. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich kein Anspruch auf Zahlung des vollen Tariflohns an ABM-Kräfte.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob die bekl. Stadt verpflichtet ist, dem Kl. für seine Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) den vollen Tariflohn zu zahlen. Der Kl., Diplom-Sozialarbeiter und Mitglied der ÖTV, war vom 1. 3. bis zum 30. 4. 1995 bei der bekl. Stadt beschäftigt. Diese ist Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen, der seinerseits der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände - VKA - angehört. Die Bekl. vereinbart mit allen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern, sofern diese nicht vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen sind, unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit einzelvertraglich die Geltung des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge. Nach § 3d BAT gilt der BAT u.a. nicht für "Angestellte, die Arbeiten nach den §§ 93 und 97 AFG oder nach den §§ 19 und 20 BSHG verrichten". Das Arbeitsamt B. bewilligte mit Bescheid vom 26. 1. 1994 für die Zeit vom 1. 2. 1994 bis 31. 1. 1995 die AB-Maßnahme Nr. 191/93 "Erzieherische Intervention bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Gewaltpotential im Ballungsgebiet A. Die ersten Einstellungen erfolgten zum 1. 3. 1994. Mit Bescheid vom 16. 2. 1995 wurde die Maßnahme 191/93 verlängert bis zum 29. 2. 1996. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß dieses Projekt ohne Förderung der Bundesanstalt für Arbeit nicht durchgeführt worden wäre. Der Förderungssatz belief sich nach beiden Bescheiden auf 75 % des Arbeitsentgelts. Nach der ab 1. 1. 1995 gültigen Fassung (ANBA 1995, S. 243, §§ 3 I, 10 I) war für die Zuweisung nur noch Voraussetzung, daß mit der ABM-Kraft ein Arbeitsentgelt in Höhe von 90 % des Arbeitsentgelts für gleiche oder vergleichbare ungeförderte Tätigkeiten vereinbart wurde. Dementsprechend vereinbarte die Bekl. zunächst mit den für das Projekt eingestellten Sozialarbeitern die Zahlung von 100 % und später - ab 1. 1. 1995 - nur noch die Zahlung von 90 % der jeweils zutreffenden BAT-Vergütung. Die Parteien schlossen am 14. 3. 1995 einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kl. - im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand zunächst nur befristet auf drei Monate - für die Zeit vom 1. 3. bis zum 31. 5. 1995 "als Angestellter für Arbeiten nach §§ 91 bis 96 AFG ... in der jeweiligen Fassung" eingestellt. Der Kl. war zuvor, und zwar vom 1. 8. 1993 bis zum 28. 2. 1995 - also neunzehn Monate - arbeitslos gewesen. Nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 14. 3. 1995 betrug die Vergütung 90 % der Vergütungsgruppe Vb BAT. Weiter heißt es in dem Arbeitsvertrag:

§ 2. Auf das Arbeitsverhältnis finden nachstehende Vorschriften des BAT in der für den Bereich der VKA jeweils geltenden Fassung Anwendung:

• Abschnitt II (Arbeitsvertrag),

• Abschnitt III (Allgemeine Arbeitsbedingungen - mit Ausnahme des § 12 ) des BAT,

• Abschnitt IV (Arbeitszeit - mit Ausnahme des § 17 ) des BAT,

• Abschnitt VII (Vergütung - mit Ausnahme der §§ 35 I lit. a und 36 I 1, VII) des BAT ...

§ 5. (2) Das Arbeitsverhältnis kann ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn das Arbeitsamt Herrn R abberuft; Herr R kann das Arbeitsverhältnis auch dann ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er eine andere Arbeit findet (§ 93 II 2 AFG). ...

Mit Schreiben vom 27. 4. 1995 kündigte der Kl. das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 30. 4. 1995, um mit Wirkung vom 2. 5. 1995 in die von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Fortbildungsmaßnahme "Organisation und Management in sozialen Einrichtungen" zu wechseln. Der Kl. verlangt für die Monate März und April 1995 die Differenz zwischen den gezahlten 90 % und 100 % der BAT-Vergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Bekl. die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. hat keinen Anspruch auf Zahlung des vollen Tarifgehalts. § 3d BAT ist jedenfalls insoweit wirksam, als er ABM-Kräfte von den Vergütungsregelungen des BAT ausschließt. Die bekl. Stadt hat mit der Vereinbarung eines untertariflichen Gehalts auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

I. Die Bekl. zahlte an den Kl. 90 % des Tarifgehalts, während nicht als ABM-Kräfte beschäftigte Sozialarbeiter unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit das Tarifgehalt erhalten. Diese Ungleichbehandlung hat zwei Ursachen. § 3d BAT schließt ABM-Kräfte aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten aus und ermöglicht damit die Ungleichbehandlung auf der Ebene des Einzelarbeitsvertrages. Überdies hat die Bekl. die ihr durch den Tarifvertrag eingeräumte Möglichkeit wahrgenommen und mit dem Kl. einen Arbeitsvertrag zu untertariflichen Bedingungen abgeschlossen. Als Anspruchsgrundlage für eine Gleichbehandlung mit den tariflich vergüteten Arbeitnehmern und damit für die Zahlung des vollen Tariflohns kommen der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, § 612 II BGB und die Vergütungsregelungen des BAT in Betracht. Voraussetzung ist, daß § 3d BAT wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG unwirksam ist oder die Bekl. den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt hat. Beides ist nicht der Fall.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG haben die Gerichte für Arbeitssachen Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen. Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 III GG steht dem nicht entgegen. Mit der Tarifautonomie ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, Rechtsnormen zu schaffen. Dementsprechend müssen sie sich wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 I GG halten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden. Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe eine Leistung vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden ist (vgl. zuletzt BAG, NZA 1997, 101 = AP Nr. 143 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).

2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Allerdings ist der Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Vergütung nicht uneingeschränkt anwendbar, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Wenn der Arbeitgeber, was ihm die Vertragsfreiheit gewährleistet, einzelne Arbeitnehmer besser stellt, so können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist mithin dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (st. Rspr., vgl. BAGE 75, 236 (243) = NZA 1994, 993 = AP Nr. 112 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, m.w.Nachw.).

Dies trifft hier zu. Die Bekl. vereinbart seit Inkrafttreten der Neufassung des § 94 I AFG mit den in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Beschäftigten die Zahlung von 90 %, mit den sonstigen Arbeitnehmern hingegen die Zahlung von 100 % der jeweiligen tariflichen Vergütung. Damit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar. Die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen ist jedoch nicht schlechthin verboten, sondern dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt, insbesondere die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung oder dem Zweck des Vertragsverhältnisses gerechtfertigt ist. Die Prüfung des sachlichen Grundes für eine Ausnahme von allgemein begünstigenden Leistungen muß sich an diesen Zwecken orientieren (BAGE 33, 57 = NJW 1980, 2374 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 49, 346 = NZA 1987, 156 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

II. Das LAG hat einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz mit folgender Begründung bejaht:

Die von der Bekl. vorgenommene Gruppenbildung zwischen den "Normalangestellten" einerseits und den "ABM-Angestellten" andererseits sei aufgrund des arbeitsrechtlichen Lohngleichheitsprinzips, wonach grundsätzlich qualitativ gleiche Arbeit auch gleich entlohnt werden müsse, sachlich nicht gerechtfertigt. Infolge der Neufassung des § 94 I AFG habe sich für die Bekl. nur das "Bemessungsentgelt" für die Förderung der Lohnkosten durch die Bundesanstalt für Arbeit verändert. Diese von der Zweckrichtung des Arbeitsförderungsgesetzes her durch den Gesetzgeber in § 94 I AFG n.F. vorgenommene Absenkung des "Bemessungsentgelts" um 10 % habe aber der Bekl. keinen sachlichen Grund gegeben, auch arbeitsrechtlich die ABM-Angestellten gegenüber den "Normalangestellten" für qualitativ gleiche Arbeit um 10 % niedriger zu vergüten. Denn in § 94 AFG sei schon immer vorgesehen gewesen, daß die Arbeitgeber bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Teil der Arbeitsvergütung selbst hätten tragen müssen. Durch die Änderung des § 94 I AFG habe sich dieser Eigenanteil an den Lohnkosten lediglich erhöht. Dies führe aber nicht gleichzeitig dazu, daß die Arbeitgeber ihren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingesetzten Arbeitnehmern nur noch geringere Vergütungen zu zahlen hätten. Vielmehr hätten sich die Arbeitgeber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie aufgrund ihres jetzigen höheren Eigenanteils an den Lohnkosten weiterhin die eigene Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei den Arbeitsämtern beantragen wollten oder nicht.

III. Der Senat folgt dem nicht. Mit der Vereinbarung eines untertariflichen Gehalts hat die bekl. Stadt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, da die Ungleichbehandlung nach dem Zweck des Vertragsverhältnisses gerechtfertigt ist. § 3d BAT verstößt - entgegen der allerdings nicht tragenden Auffassung des LAG - nicht gegen Art. 3 I GG, da es für den Ausschluß der ABM-Kräfte von den Vergütungsregelungen des BAT sachliche Gründe gibt.

1. Der Zweck von Arbeitsverhältnissen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erschöpft sich nicht im Austausch von Arbeitsleistung gegen Entgelt. Hinzu kommt der Förderungszweck: Mit Mitteln der Bundesanstalt soll die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden (§ 91 I AFG). Es muß sich um Arbeiten handeln, die ohne die Maßnahmen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden; die Förderung muß nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheinen (§ 91 II AFG). Bevorzugt zu fördern sind insbesondere Arbeiten, die geeignet sind, Arbeitsangelegenheiten für langfristig arbeitslose Arbeitnehmer zu schaffen (§ 91 III Nr. 3 AFG). Gerade diesem Personenkreis drohen Verluste berufsrelevanter Fähigkeiten und damit Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (vgl. Niesel/Düe, AFG, 2. Aufl., Vorb. § 91 Rdnr. 4). Der Zweck der §§ 91 ff. AFG ist also die zumindest zeitweilige Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und die Eröffnung wenigstens vorübergehender Beschäftigungsmöglichkeiten für - oft leistungsschwächere - Arbeitnehmer (BAG, NZA 1996, 87 = AP Nr. 4 zu § 91 AFG; BAG, NZA 1993, 361 L = AP Nr. 145 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Hieraus folgt, daß der zugewiesene Arbeitnehmer nur deswegen oder nur deswegen schon zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitsstelle erhält, weil das Beschäftigungsverhältnis mit Mitteln der Bundesanstalt gefördert wird. Die Begründung des Arbeitsverhältnisses wird vorrangig im Interesse der Arbeitslosen und des Arbeitsmarktes gefördert. Das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist maßgeblich von diesem Förderungszweck geprägt, und zwar unabhängig davon, ob die ABM-Kräfte im konkreten Einzelfall qualitativ gleichwertige Leistungen wie andere Arbeitnehmer erbringen oder nicht. Das rechtfertigt sowohl den Ausschluß der ABM-Kräfte aus dem Geltungsbereich der Vergütungsregelungen des BAT als auch die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer niedrigeren Vergütung im Einzelfall. Dieser Zweck war dem Kl. bekannt. Zudem verweist § 1 I des Arbeitsvertrages auf die §§ 91 bis 96 AFG.

2. Aus § 93 II 1 AFG und § 16 S. 1 AFG ergibt sich nichts anderes. Nach § 93 II 1 AFG richten sich "die Beziehungen zwischen den zugewiesenen Arbeitnehmern und dem Träger ... nach den Vorschriften des Arbeitsrechts". Dazu gehört auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz einschließlich der Möglichkeit, nach sachlichen Kriterien zu unterscheiden. Damit sind sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen gerade nicht ausgeschlossen. Aus § 93 II 1 AFG läßt sich nicht herleiten, die Normen des Arbeitsrechts sollten unabhängig davon gelten, daß dieser Personenkreis seinen Arbeitsplatz der Förderung durch die Bundesanstalt verdankt. Allerdings war der Gesetzgeber ausweislich der Materialien bei der Schaffung dieser Vorschrift der Auffassung, daß ABM-Kräfte Anspruch auf den vollen Tariflohn haben sollten (Begr. z. RegE eines Änderungsgesetzes zum AFG, BT-Dr V/2291, S. 78). Daran hat er jedoch später nicht mehr festgehalten. In der Begründung zur Neufassung des § 94 I AFG, durch den das durch für die Förderung berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt herabgesetzt wurde, ist er vielmehr davon ausgegangen, daß ABM-Kräfte dann auch nur entsprechend weniger verdienen. Nach § 16 S. 1 AFG "soll" die Bundesanstalt nicht am Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen zu tarifwidrigen Bedingungen mitwirken, wenn ihr die Tarifwidrigkeit der Bedingungen und die Tarifgebundenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bekannt sind. Adressat dieser Verpflichtung ist allein die Bundesanstalt, nicht der einzelne Arbeitgeber. Eine etwaige Verletzung dieser Vorschrift begründet keine Rechte des Arbeitnehmers. § 16 AFG ist im Arbeitsvertrag auch nicht in Bezug genommen. Zudem ist sie im Streitfall nicht verletzt. Die Bezahlung ist nicht tarifwidrig, weil § 3d BAT die ABM-Kräfte aus seinem Geltungsbereich ausnimmt.

3. Der Förderungszweck hat konkrete Auswirkungen im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander. Die Förderung wird nur für Arbeitnehmer gewährt, die dem Träger der Maßnahme vom Arbeitsamt zugewiesen sind (§ 93 I 1 AFG). Der Arbeitgeber kann sich den Arbeitnehmer nicht aussuchen, und zwar auch nicht unter denen, die nach § 93 I 2 AFG für eine Zuweisung in Frage kommen. Dies hat erhebliche praktische Bedeutung, weil es sich bei den Zugewiesenen oft um Langzeitarbeitslose handelt, von denen nicht angenommen werden kann, daß sie zu den von Arbeitgebern bevorzugten Bewerbern gehören. Auch der Gesetzgeber geht ersichtlich davon aus, daß eine Eingliederung Langzeitarbeitsloser auf dem früheren Verdienstniveau häufig nicht erreichbar ist und ein Verlust beruflicher Qualifikation droht, der die Vermittlung zusätzlich erschwert (BT-Dr 13/2898, S. 5 (6)). Weiter dürfen ABM-Kräfte nur zweckgebunden, also mit den nach § 91 II AFG geförderten Arbeiten beschäftigt werden. Auch der Kl. ist nur für solche Arbeiten eingestellt worden (§ 1 I des Arbeitsvertrages). Der Bekl. war es somit verwehrt, den Kl. in anderen Stadtteilen oder sozialen Einrichtungen zu beschäftigen. Ihr Direktionsrecht war eingeschränkt. Das kommt auch im Arbeitsvertrag zum Ausdruck, da die Geltung des § 12 BAT über die Zulässigkeit von Versetzungen und Abordnungen ausgeschlossen wurde (§ 2). Schließlich weisen Arbeitsverhältnisse von ABM-Kräften Besonderheiten hinsichtlich der Kündigung auf (§ 93 II 2 AFG), die beim Arbeitgeber zu organisatorischen Schwierigkeiten führen können. Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn er eine andere Arbeit oder eine berufliche Ausbildungsstelle findet oder an einer Maßnahme zur beruflichen Bildung teilnehmen kann, eine Möglichkeit, die der Kl. im Streitfall wahrgenommen hat.

4. Auch in anderen Zusammenhängen hat der Umstand, daß ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis von Sozialversicherungsträgern oder von staatlichen Stellen subventioniert wird, Bedeutung. Der Senat hat die auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützte Klage eines Auszubildenden auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgewiesen, weil der Ausbildungsvertrag im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 56 AFG mit entsprechenden Leistungen des Arbeitsamtes an den Auszubildenden durchgeführt wurde (BAG, NZA 1990, 105 = NJW 1990, 534 L = AP Nr. 1 zu § 56 AFG).

Weiter hat der Senat entschieden, daß Ausbildungsvergütungen, auch wenn sie erheblich unter den tariflichen Sätzen liegen, noch angemessen im Sinne von § 10 I BBiG sein können, wenn die Ausbildung zu 100 % von der öffentlichen Hand finanziert wird (BAG, EzB BBiG § 10 I Nr. 49; BAG, NZA 1996, 698 = AP Nr. 6 zu § 10 BBiG). Der 7. Senat des BAG hat die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit ABM-Kräften u.a. mit der Begründung für zulässig gehalten, für die Einstellung derartiger Arbeitnehmer sei die Zusage eines erheblichen Kostenanteils durch die Arbeitsverwaltung ausschlaggebend, und der Arbeitgeber hätte ohne diese Zusage entweder keinen oder jedenfalls nur einen leistungsfähigeren Arbeitnehmer eingestellt (BAGE 55, 338 (343) = NZA 1988, 468 = AP Nr. 114 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG, NZA 1993, 361 L = AP Nr. 145 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG, NZA 1996, 87 = AP Nr. 4 zu § 91 AFG). Der 3. Senat ist von der Gültigkeit des § 3d BAT ausgegangen (BAG, NZA 1993, 232 L = AP Nr. 35 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse; BAGE 79, 8 = NZA 1995, 886 = AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Danach verstößt es nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, ABM-Kräfte von Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auszunehmen.

5. Der Senat verkennt nicht, daß untertarifliche Arbeitsvergütungen von ABM-Kräften als ungerecht empfunden werden können, insbesondere wenn in demselben Betrieb oder in derselben Verwaltung ABM-Kräfte und andere Arbeitnehmer die gleichen Aufgaben haben. Wie ausgeführt, war der Gesetzgeber bei Schaffung des § 93 II 1 AFG der Auffassung, daß ABM-Kräfte Anspruch auf den vollen Tariflohn haben sollten. Hierdurch sollte u.a. verhindert werden, daß von den Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung ein Druck auf die Tariflöhne ausgeht (Begr. z. RegE eines Änderungsgesetzes zum AFG, BT-Dr V/2291, S. 78). Der Gesetzgeber hat sich aber später nicht gehindert gesehen, das für die Förderung berücksichtigungsfähige Entgelt auf 90 % bzw. 80 % des üblichen Entgelts herabzusetzen und damit die Erwartung zu verbinden, daß ABM-Kräfte dann nur noch entsprechend weniger verdienen. In der Begründung für die Neufassung des § 94 I AFG durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 (BT-Dr 12/6719, S. 10, 15) heißt es u.a.: "Um die für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel für möglichst viele Maßnahmen nutzen zu können, sollen Arbeitsentgelte nur noch in einer begrenzten Höhe berücksichtigt werden ... Mit dieser Regelung wird zugleich der Besonderheit der überwiegenden Finanzierung der ABM-Beschäftigung aus öffentlichen Mitteln Rechnung getragen und der Anreiz für die geförderten Arbeitnehmer zu einem Wechsel in ungeförderte Arbeit verstärkt."

Es trifft allerdings zu, daß sich die Fördermittel der Bundesanstalt nicht schon dadurch verringern, daß mit den Beschäftigten der volle Tariflohn vereinbart wird. Jedoch hängt die Bereitschaft, solche Maßnahmen durchzuführen, nicht zuletzt von der Höhe des vom Träger aufzubringenden Eigenanteils ab. Auch Bund, Ländern und Kommunen und gemeinnützigen Organisationen stehen zur Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Wären sie zur Zahlung des Tariflohns verpflichtet, könnten sie nur eine geringere Anzahl von ABM-Kräften einstellen. Bei Vereinbarung einer niedrigeren Vergütung können mehr ABM-Kräfte eingestellt werden. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist es wichtig, die insgesamt begrenzten Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglichst vielen arbeitslosen Arbeitnehmern zugute kommen zu lassen.

Vorinstanzen

LAG Hamm, 17 Sa 1960/95, 11.03.1996

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

GG Art. 3 I; BGB § 242 Gleichbehandlung; AFG §§ 91 bis 94; BAT § 3d