Wiederaufleben von Ausgleichsansprüchen nach Scheitern der Ehe

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

30. 11. 1994


Aktenzeichen

XII ZR 59/93


Leitsatz des Gerichts

  1. Ausgleichsansprüche eines die gemeinsamen Schulden der Ehepartner allein bedienenden Ehegatten nach § 426 I 1 BGB, die während intakter Ehe ausgeschlossen waren, weil das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert war, leben mit dem Scheitern der Ehe wieder auf, wenn nicht an die Stelle der mit der ehelichen Lebensgemeinschaft zusammenhängenden Besonderheiten andere rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse treten, aus denen sich i.S. des § 426 I BGB etwas anders ergibt als der hälftige Ausgleich.

  2. Eines Hinweises des zahlenden an den anderen Ehegatten, er werde die gemeinsamen Schulden wegen des Scheiterns der Ehe nicht mehr alleine tragen, bedarf es für die - auch rückwirkende - Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nicht (Fortführung von BGHZ 87, 265 = NJW 1983, 1845).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ehe der Parteien wurde 1993 rechtskräftig geschieden. Der Scheidungsantrag der Bekl. wurde dem Kl. am 3. 10. 1986 zugestellt. Der Kl. betreibt eine gutgehende Steuerberaterpraxis. Die Bekl. arbeitet z.Zt. als Buchhalterin. Z.Zt. ihres Zusammenlebens haben die Parteien - auch aus steuerlichen Gründen - mehrere Immobilien erworben. Bezüglich dreier dieser Immobilien sind sie zu gleichen Teilen als Eigentümer im Grundbuch eingetragen: Es handelt sich um ein Einfamilienhaus in G., das die Parteien bis zur Trennung gemeinsam bewohnt haben und das heute die Bekl. allein bewohnt, und um zwei Eigentumswohnungen in E. und M., die vermietet sind. Das Einfamilienhaus und die beiden Eigentumswohnungen sind so finanziert, daß bei den Eigentumswohnungen die monatliche Belastung die eingehende Miete bei weitem übersteigt und daß bei dem Einfamilienhaus die Belastung (es handelt sich zum überwiegenden Teil um eine Leibrente) in etwa dem Mietwert entspricht. Für den Schuldendienst haften die Parteien als Gesamtschuldner, der Kl. zahlte die monatlichen Raten zumindest bis Februar 1991 allein. Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 22. 6. 1987 forderte er die Bekl. auf, sich an den Belastungen des Einfamilienhauses ab September 1986 zu beteiligen. Eine Beteiligung der Bekl. an den Belastungen der beiden Eigentumswohnungen verlangte er im Wege der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 30. 8. 1989, der der Bekl. am 6. 9. 1989 zugestellt wurde. Für das Einfamilienhaus zahlte er für die Monate September 1986 bis Januar 1987 monatlich 3823,97 DM, für die Monate Februar bis Juli 1987 monatlich 3832,30 DM. Für die beiden Eigentumswohnungen zahlte er von Januar 1988 bis Juni 1989 zusammen monatlich 2908,85 DM (1427,83 DM + 1481,02 DM). Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kl. von der Bekl. die Erstattung der Hälfte der von ihm in den genannten Zeiträumen gezahlten Beträge. Hilfsweise stützt er die Klage auf Ausgleichsansprüche wegen von ihm geleisteter Zahlungen für die beiden Eigentumswohnungen für die Zeit ab Juli 1989. Ein von der Bekl. angestrengter Prozeß wegen Unterhalts während des Getrenntlebens endete am 27. 4. 1987 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kl. verpflichtete, an die Bekl. als Aufstockungsunterhalt 1000 DM monatlich zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vergleich unter Nr. 4: „Etwaige Ausgleichsansprüche aus Miteigentum werden von diesem Vergleich nicht berührt." Auf Antrag der Bekl. des vorliegenden Rechtsstreits (der damaligen Kl.) wurde im Wege der Protokollberichtigung zu Nr. 4 des Vergleichs folgender Satz hinzugefügt: „Mit der in diesem Punkt getroffenen Vereinbarung erkennt die Kl. solche Ansprüche nicht an." Die Parteien sind sich darüber einig, daß mit „Ausgleichsansprüchen aus Miteigentum“ Ansprüche gemeint waren, die dem Kl. aus § 426 BGB zustehen könnten, weil er allein die Schulden für die im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Immobilien bediente. Bei Abschluß des Vergleichs gingen die Parteien davon aus, daß die Bekl. (einschließlich Nebeneinnahmen) ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 3500 DM hatte, mit den vom Kl. gezahlten 1000 DM somit 4500 DM. Den der Bekl. zustehenden Aufstockungsunterhalt berechneten sie - auf Vorschlag des Familienrichters - nach dem Bedarf der Bekl. Der Kl. war damit einverstanden, daß die Bekl. weiter in dem Einfamilienhaus wohnt und an ihn für diese Alleinnutzung keine Entschädigung zahlt. Die Bekl. meint, wenn dem Kl. - entgegen der von ihr vertretenen Auffassung - der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zustehen sollte, so sei der abgeschlossene Unterhaltsvergleich nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage der veränderten Situation anzupassen. Der Kl. müsse ihr dann einen um die von ihr zu leistenden Ausgleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen. Mit diesem von ihr geltend gemachten Anspruch auf erhöhte Unterhaltszahlungen erklärte sie hilfsweise die Aufrechnung. Im übrigen habe der Kl. bei der Berechnung der Klageforderung nicht berücksichtigt, daß er die von ihm geleisteten Zahlungen steuerlich abgesetzt und dadurch einen Vorteil erzielt habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das BerGer. hat ihr bezüglich der wegen des Einfamilienhauses geltend gemachten Ausgleichsansprüche stattgegeben, dem Kl. allerdings aus dem zugesprochenen Betrag nur 4 % Verzugszinsen (statt der eingeklagten 8 %) zugesprochen. Wegen der Ausgleichszahlungen für die beiden Eigentumswohnungen hat es die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt; insoweit hat es die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen. Es geht davon aus, daß bezüglich der Zahlungen für die beiden Eigentumswohnungen noch geklärt werden müsse, ob der Kl. bleibende Steuervorteile dadurch hat, daß er die Aufwendungen für diese Wohnungen steuerlich zunächst voll absetzen konnte. Mit ihrer Revision will die Bekl. erreichen, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird. Durch Beschluß vom 29. 6. 1994, der dem Kl. am 6. 7. 1994 zugestellt wurde, hat der Senat die Revision der Bekl. angenommen. Mit einem am 2. 8. 1994 eingegangenen Schriftsatz hat der Kl. Anschlußrevision eingelegt, mit der er erreichen will, daß ihm auch die wegen der beiden Eigentumswohnungen geltend gemachten Ausgleichsansprüche - ohne Zurückverweisung an die erste Instanz - zugesprochen werden und daß die Bekl. verurteilt wird, aus dem zugesprochenen Betrag 8 % Verzugszinsen zu zahlen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Zur Revision der Bekl.

1. Das BerGer. führt aus, die Parteien hafteten für die in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien im Zweifel zu gleichen Teilen (§§ 426 I 1, 748f . BGB).

Ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 I BGB zwischen Ehegatten werde nicht durch das eheliche Güterrecht verdrängt (vgl. hierzu Senat,NJW 1988, 133 = LM § 426 BGB Nr. 74 = FamRZ 1987, 1239 = BGHRBGBB § 426 Ehegatten 1; BGH, NJW-RR 1988, 966; NJW-RR 1993, 386 = LM H. 7/1993 § 426 BGB Nr. 95 = BGHRBGBB § 426 Abs. 1 Satz 1 Bestimmung, anderweitige 5 m.w. Nachw.). Während intakter Ehe werde allerdings die Miteigentumsgemeinschaft der Ehegatten an gemeinsam angeschafften Grundstücken durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert. Zahle während intakter Ehe der Ehegatte, der allein oder wesentlich mehr verdiene, die monatlichen Lasten, so sei im allgemeinen davon auszugehen, daß der verdienende Ehegatte die Belastungen im Innenverhältnis allein tragen solle und daß er deshalb keinen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten habe. Mit dem Scheitern der Ehe und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entfalle dieser Grund für die alleinige Haftung. Von diesem Zeitpunkt an lebten deshalb Ausgleichsansprüche nach § 426 I BGB wieder auf.

Diese Ausführungen des BerGer. stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 87, 265 (270) = NJW 1983, 1845; Senat, NJW-RR 1993, 386 = LM H. 7/1993 § 426 BGB Nr. 95; Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Aufl., § 426 Rdnr. 26; Selb, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 426 Rdnr. 7, jeweils m.w. Nachw.) und werden von der Revision jedenfalls im Grundsatz auch nicht angegriffen.

Weiter führt das BerGer. aus, entgegen der Annahme des LGhabe ein solcher Ausgleichsanspruch des allein zahlenden Ehegatten nicht zur Voraussetzung, daß dieser vor der Zahlung mit Rücksicht auf das Scheitern der Ehe von dem anderen Ehegatten eine Neuregelung bezüglich des Schuldendienstes verlangt habe.

Unabhängig davon, wann der allein zahlende Ehegatte zum ersten Mal geltend gemacht habe, daß er nach dem Scheitern der Ehe die monatlichen Belastungen nicht mehr allein tragen wolle, habe er nach § 426 I BGB einen Ausgleichsanspruch auf Erstattung der Hälfte der nach dem Scheitern der Ehe gezahlten Beträge. Die Ausgleichsansprüche des Kl. seien auch nicht durch den Unterhaltsvergleich ausgeschlossen. Entgegen der Annahme der Bekl. ergebe sich aus diesem Unterhaltsvergleich auch nicht, daß der Kl. der Bekl. zumindest einen um die von ihr zu leistenden Ausleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen müsse, mit dem sie (hilfsweise) gegen die Klageforderung aufrechnen könne.

Gegen diese Ausführungen des BerGer. wendet sich die Revision der Bekl. ohne Erfolg.

2. Der Senat hatte bisher keine Veranlassung, sich ausdrücklich mit der Frage zu befassen, ob die mit Rücksicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft bestehende Verpflichtung eines Ehegatten, gemeinsame Belastungen allein zu tragen, mit dem Scheitern der Ehe und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohne weiteres endet oder erst dann, wenn er dem anderen Ehegatten mitteilt, wegen des Scheiterns der Ehe werde er die Belastungen nicht mehr allein tragen. Der Senat ist jedoch z.B. in dem bereits erwähnten Urteil vom 13. 1. 1993 (NJW 1993, 386 = LM H. 7/1993 § 426 BGB Nr. 95) erkennbar davon ausgegangen, daß entsprechende Ausgleichsansprüche mit dem Scheitern der Ehe aufleben, ohne daß es irgendeines Handelns des allein zahlenden Ehegatten bedarf. Daran ist festzuhalten. Nach § 426 I 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist für eine anderweitige Bestimmung im Sinne dieser Vorschrift nicht eine besondere Vereinbarung der Beteiligten erforderlich, sie kann sich vielmehr aus dem Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder „aus der Natur der Sache“ ergeben, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens (BGHZ 77, 55 (58) = NJW 1980, 1520 = LM § 426 BGB (L) Nr. 51; Senat, NJW 1988, 133 = LM § 426 BGB Nr. 74 = FamRZ 1987, 1239 (1240); NJW-RR 1988, 259 = LM § 426 BGB Nr. 75 = BGHRBGBB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 2; Selb, in: MünchKomm, § 426 Rdnr. 6, jeweils m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ergab sich bis zum Scheitern der Ehe eine anderweitige Bestimmung ohne besondere Vereinbarung der Parteien aus dem Umstand, daß das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert wurde. Mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft sind diese besonderen, einen abweichenden Verteilungsmaßstab rechtfertigenden Umstände entfallen, so daß die in § 426 I 1 BGB für den Regelfall angeordnete anteilige Haftung wieder Platz greift (ähnlich BGHZ 77, 55 (58) = NJW 1980, 1520 = LM § 426 BGB (L) Nr. 51), es sei denn, es bestehen nun anstatt der ehelichen Lebensgemeinschaft andere besondere Umstände, aus denen sich ein vom Regelfall abweichender Verteilungsmaßstab ergibt. Solche Umstände hat die Bekl. nicht vorgetragen (vgl. hierzu auch nachfolgend unter I 4 und II 2).

Die Bekl. beruft sich zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht zu Unrecht darauf, daß nach der Rechtsprechung des BGH ein Ehegatte, der nach dem Scheitern der Ehe aus dem beiden Ehegatten gehörenden und bisher von beiden gemeinsam bewohnten Haus ausgezogen ist, von dem anderen, weiter in dem Haus wohnenden Ehegatten eine Nutzungsentschädigung erst von dem Zeitpunkt an verlangen kann, in dem er eine Neuregelung der Nutzung des Hauses oder ein „Neuregelungsentgelt“ verlangt hat (vgl. BGH, NJW 1982, 1753f. = LM § 745 BGB Nr. 11). Die beiden Fälle sind nicht miteinander vergleichbar. Grundsätzlich löst der Umstand, daß ein Teilhaber ein im Miteigentum stehendes Grundstück allein nutzt, keine Entschädigungsrechte des anderen Teilhabers aus (BGHZ 87, 265 (271) = NJW 1983, 1845 m. Nachw.). Nach § 745 II BGB kann jeder Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Regelung der Benutzung verlangen, und zwar bei einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch entgegen einer vertraglichen Regelung, an der er mitgewirkt hat (vgl. Karsten Schmidt, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 745 Rdnr. 29 m. Nachw.). Im Falle des § 745 II BGB führen somit veränderte Umstände (hier: die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft) nicht ohne weiteres zu einer Änderung der rechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander; sie berechtigten den durch die Veränderung der Umstände benachteiligten Teilhaber lediglich, eine Neuregelung zu verlangen. Solange er sie nicht verlangt, kann er keine Rechte daraus herleiten, daß die bisherige Regelung oder Handhabung aufgrund der veränderten Verhältnisse nicht mehr angemessen ist.

Eine dem § 745 II BGB entsprechende Regelung enthält § 426 BGB gerade nicht. Im Rahmen dieser Vorschrift hat vielmehr „die besondere Gestaltung des tatsächlichen Geschehens" - wie bereits ausgeführt ist - von vornherein einen unmittelbaren Einfluß auf die Rechtsbeziehungen der Gesamtschuldner zueinander, ohne daß es in irgendeiner Weise auf eine gestaltende Handlung der Gesamtschuldner ankäme.

Der Revision ist einzuräumen, daß die Mitteilung des allein zahlenden Ehegatten, er werde nach dem Scheitern der Ehe die gemeinsamen Belastungen nicht mehr allein tragen, den anderen Ehegatten veranlassen könnte, sich - z.B. durch das Bilden von Rücklagen - rechtzeitig darauf einzustellen, daß er die gemeinsamen Belastungen nun - auch rückwirkend - mittragen muß. Dieser Gesichtspunkt reicht aber nicht aus, um eine solche Mitteilung zur Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch des zahlenden Ehegatten zu machen. Auch ohne eine solche Mitteilung kann der andere Ehegatte nicht darauf vertrauen, sein Ehepartner werde auch nach dem Scheitern der Ehe und nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die gemeinsamen Schulden weiterhin allein tragen. Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlaß mehr, dem anderen durch die Übernahme seiner Schuldverpflichtungen eine Vermögensmehrung zukommen zu lassen (Senat, NJW-RR 1993, 386 = LM H. 7/1993 § 426 BGB Nr. 95 = BGHRBGBB § 426 Abs. 1 Satz 1 Bestimmung, anderweitige 5 m. Nachw.).

3. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das BerGer. die Zahlungen, die der Kl. im September 1986 vor Zustellung des Scheidungsantrags auf die Belastungen des Einfamilienhauses geleistet hat, bei der Berechnung seines Ausgleichsanspruchs mit berücksichtigt. Im Falle des Scheiterns der Ehe kommen Ausgleichsansprüche nach § 426 I BGB auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in Betracht (vgl. Senat, NJW 1988, 133 = LM § 426 BGB Nr. 74 = FamRZ 1987, 1239 (1240) und NJW-RR 1988, 966; Soergel/M. Wolf, § 426 Rdnr. 26 m.w. Nachw.). Das BerGer. hat - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, daß jedenfalls im September 1986 die Ehe der Parteien bereits zerrüttet und die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben war.

4. Zu Unrecht meint die Revision, die vom Kl. geltend gemachten Ausgleichsansprüche nach § 426 I BGB seien durch den abgeschlossenen Unterhaltsvergleich ausgeschlossen; anderenfalls ergebe sich zumindest aus diesem Vergleich nach einer Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, daß der Kl. der Bekl. einen um die von ihr zu leistenden Ausgleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen müsse, mit dem sie hilfsweise gegen die Klageforderung aufrechne. Das BerGer. legt den Unterhaltsvergleich dahin aus, daß die Frage, ob dem Kl. solche Ausgleichsansprüche zustehen oder nicht, gerade ausgeklammert und offengehalten werden sollte und daß der Kl. der Bekl. einen Aufstockungsunterhalt von 1000 DM im Monat zahlen sollte unabhängig davon, ob die Bekl. sich an dem Schuldendienst für den gemeinsamen Grundbesitz beteiligen müßte. Bei dem Vergleich handelt es sich um einen Prozeßvergleich. Ob die Auslegung eines Prozeßvergleichs in der Revisionsinstanz nur in beschränktem Umfang, also nur darauf überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind, oder ob, weil es sich (auch) um eine Prozeßhandlung handelt, eine Auslegung frei nachprüfbar ist, wird in der Rechtsprechung des BGH nicht einheitlich beantwortet (vgl. zum Meinungsstand BGH, NJW 1971, 1844 = LM § 239 ZPO Nr. 9 = WM 1971, 1513 (1514); Senat,BGHR ZPO § 549 Abs. 1 Prozeßvergleich 1). Die Frage bedarfhier jedoch keiner Entscheidung. Denn der Senat würde der tatrichterlichen Auslegung auch dann folgen, wenn sie voll überprüfbar sein sollte. Aus dem Wortlaut des Vertrages ergibt sich eindeutig, daß der Kl. wegen des von ihm allein geleisteten Schuldendienstes Ausgleichsansprüche gegen die Bekl. angemeldet hatte, daß die Bekl. solche Ausgleichsansprüche nicht anerkannte und daß die Parteien die Frage, ob dem Kl. solche Ausgleichsansprüche zustehen oder nicht, bewußt offengelassen haben. Würde man der von der Revision vertretenen Auslegung des Vertrages folgen, so hätten sich die Parteien im Gegensatz dazu im wirtschaftlichen Ergebnis darauf geeinigt, daß der Kl. die monatlichen Belastungen allein zu tragen habe. Im wirtschaftlichen Ergebnis ist es nämlich gleichgültig, ob Ausgleichsansprüche des Kl. durch den Vergleich ausgeschlossen sind oder ob sie zwar bestehen, aber durch einen entsprechend höheren Unterhalt kompensiert werden.

In der vom BerGer. vorgenommen, zutreffenden Auslegung steht der Unterhaltsvergleich den Ausgleichsansprüchen des Kl. nicht entgegen. Die von der Revision geltend gemachte Anpassung des Vergleichs nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheidet schon deshalb aus, weil die Parteien den Bestand des Unterhaltsvergleichs gerade nicht davon abhängig machen wollten, daß dem Kl. keine Ausgleichsansprüche nach § 426 I BGB zustehen.

II. Zur Anschlußrevision des Kl.

1. Die Annahme der unselbständigen Anschlußrevision des Kl. war abzulehnen, soweit der Kl. mit ihr erreichen will, daß ihm aus dem vom BerGer. zuerkannten Betrag mehr als 4 % Verzugszinsen zugesprochen werden. Insofern hat die Anschlußrevision weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554b ZPO). Die Entscheidung über die Nichtannahme muß nicht in einem vorgeschalteten Beschlußverfahren getroffen werden, sie kann auch nach mündlicher Verhandlung durch Urteil ausgesprochen werden (BGH, NJW 1992, 3235 = LM H. 4/1993 Art. 21 ScheckG Nr. 19 = ZIP 1992, 1534 (1536) m.w. Nachw.).

2. Im übrigen wendet sich die Anschlußrevision des Kl. dagegen, daß das BerGer. die Sache, soweit es Ansprüche des Kl. für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt hat, an die erste Instanz zurückverwiesen hat mit der Begründung, es sei noch aufzuklären, ob der Kl. bleibende Steuervorteile dadurch gehabt habe, daß er die Aufwendungen für die beiden Eigentumswohnungen zunächst allein getragen und steuerlich abgesetzt habe. In diesem Punkt hat die Anschlußrevision des Kl. Erfolg. Die Parteien streiten darüber, ob die Steuervorteile, die der Kl. jedenfalls zunächst durch die erweiterte Absetzungsmöglichkeit hatte, durch eine Nachversteuerung ausgeglichen werden, wenn er Ausgleichsansprüche gegen die Bekl. durchsetzen kann und dadurch entsprechende Einnahmen hat. Darauf kommt es aber nicht an. Beide Vorinstanzen gehen zwar davon aus, der Kl. müsse sich solche verbliebenen Steuervorteile, sollten sie bestehen, im Wege der Vorteilsausgleichung auf seinen Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB anrechnen lassen. Das ist jedoch nicht zutreffend. Die Regeln der Vorteilsausgleichung sind für das Schadensersatzrecht entwickelt worden. Sie sind nicht übertragbar auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 I BGB. Diese Vorschrift regelt nicht nur die der Befriedigung des Gläubigers nachfolgende Ausgleichung. Aus ihr ergibt sich vielmehr, daß schon vor der Befriedigung des Gläubigers ein Gesamtschuldner gegen den anderen einen Anspruch darauf hat, daß der andere bei Fälligkeit der Schuld seinem Anteil entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirkt und damit so handelt, daß es überhaupt nicht zu einem Rückgriff zu kommen braucht (st. Rspr. des RG und des BGH, vgl. Senat, BGHRBGB§ 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 1 m. Nachw.; Weber, in: RGRK, 12. Aufl., § 426 Rdnr. 12). Befriedigt einer von zwei Gesamtschuldnern den Gläubiger, so verwandelt sich dieser Mitwirkungsanspruch in einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Gesamtschuldner auf Zahlung des entsprechenden Betrages (vgl. Weber, in: RGRK § 426 Rdnr. 15 m. Nachw.; Selb, in: MünchKomm, § 426 Rdnr. 9). Der ausgleichspflichtige Gesamtschuldner hat dementsprechend den Betrag zu erstatten, den er eigentlich als einen Anteil an den Gläubiger hätte zahlen müssen und den an seiner Stelle der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner an den Gläubiger gezahlt hat. Eine Vorteilsausgleichung kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eventuelle Steuervorteile des Kl. können nicht zur Folge haben, daß die Bekl. i.E. auf die Gesamtschuld weniger zahlen muß, als ihrem Anteil entspricht. Aus dem Gesamtschuldverhältnis ergibt sich für die Bekl. nicht die Berechtigung, an Steuervorteilen des Kl. zu partizipieren, die sich für ihn aus der Abwicklung des Gesamtschuldverhältnisses ergeben. Daß einer der Gesamtschuldner derartige Vorteile hat, kann allenfalls in besonders gelagerten Fällen das Ausgleichsverhältnis der Gesamtschuldner beeinflussen, wenn in ihnen Umstände zu sehen sind, aus denen sich i.S. des § 426 I BGB „etwas anderes ergibt“ als der hälftige Ausgleich. Davon kann im Falle der Parteien nach dem Scheitern ihrer Ehe jedoch nicht ausgegangen werden ...

3. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Das BerGer. hat festgestellt, welche Zahlungen der Kl. in der Zeit, für die er mit der Klage einen Ausgleich verlangt, auf die Belastungen der beiden Eigentumswohnungen geleistet hat. Die Hälfte dieser Beträge hat die Bekl. ihm nach § 426 I 1 BGB zu erstatten. Auch aus diesem Betrag kann der Kl. lediglich 4 % Rechtshängigkeitszinsen verlangen (§ 288 BGB), weil er nicht dargelegt hat, daß ihm ein darüber hinausgehender Verzugsschaden entstanden ist. Dies hat das BerGer. in anderem Zusammenhang (wegen des Ausgleichsanspruchs bzgl. der Belastungen des Einfamilienhauses) zutreffend dargelegt. Die Verfahrensrüge, die der Kl. in diesem Zusammentreffen erhebt, hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO).

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB § 426 I 1