Verwirkung von Unterhaltsansprüchen

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

26. 11. 1997


Aktenzeichen

3 WF 177/97


Leitsatz des Gerichts

Ist Verwirkung erst einmal eingetreten, erfaßt sie zwangsläufig solange auch Einzelansprüche, die - vom Zeitpunkt der Vollendung des Verwirkungstatbestandes aus gesehen - in der Zukunft liegen, bis die Verwirkung durch erneute Inverzugsetzung oder Klageerhebung für die darauffolgende Zeit entfällt (so auch OLG Hamburg, FamRZ 1990, 1271, 1273, entgegen OLG Düsseldorf - 5. FamS -, FamRZ 1989, 776, 777).

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. ...

2. Zutreffend ist das AmtsG davon ausgegangen, daß die Unterhaltsansprüche der Kl. jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich April 1997 verwirkt sind.

a) Der Tatbestand der Verwirkung setzt zunächst das sog. "Zeitmoment" voraus. Insoweit kann bereits das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen, weil sich ein Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, normalerweise zeitnah um die Durchsetzung derartiger Ansprüche bemüht, so daß sein Verhalten den Eindruck erweckt, er sei nicht (mehr) bedürftig, wenn er über einen längeren Zeitraum hinweg trotz Ausbleibens der Unterhaltsleistungen untätig bleibt (BGH, FamRZ 1988, 370, 372; OLG Düsseldorf - 5. FamS -, FamRZ 1989, 776, 777), zumal die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner in der Regel nicht genau bekannt sind und Unterhaltsrückstände durch eine lange Zeit der Untätigkeit zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen können, die auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen kann (BGH, a.a.O.).

Das "Zeitmoment" ist vorliegend erfüllt. Mit ihrer Klage macht die Kl. Unterhaltsansprüche für den Zeitraum ab 7. 12. 1993 (Eintritt der Rechtskraft der Scheidung) geltend und beziffert den Unterhaltsrückstand bis einschließlich April 1997 mit 48.639 DM (41.329,50 DM Anspruch der Kl. und 7.309,50 DM Anspruch des Sozialamtes). Zwar hat die Kl. ihrem Vorbringen nach die Unterhaltsansprüche angemahnt und den Bekl. in Verzug gesetzt. Das letzte "Mahnschreiben" stammt aber v. 22. 9. 1995, so daß bis zur Einreichung und Übermittlung der Klageschrift an den Bekl. im Mai 1997 eine Frist von einem Jahr und acht Monaten abgelaufen ist.

b) Neben dem Zeitmoment müssen, um Verwirkung annehmen zu können, besondere Umstände vorhanden sein, aufgrund derer sich der Unterhaltspflichtige nach Treu und Glauben darauf einrichten konnte, daß der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde, sog. "Umstandsmoment" (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Auch diese Voraussetzung ist gegeben.

Nachdem im Verfahren zur Zahlung von Trennungsunterhalt über die Arbeitsverpflichtung der Kl. und darüber gestritten worden war, ob sie mit einem anderen Mann eheähnlich zusammenlebe und sich Versorgungsleistungen anrechnen lassen müsse, konnte der Bekl. davon ausgehen, daß die Kl. ihren Bedarf selbst werde decken können. Dies mußte insbesondere deshalb gelten, weil der Bekl. die beiden Kinder der Parteien in seinen Haushalt aufgenommen hatte, so daß die Kl. nicht durch die Versorgung und Betreuung von Kindern an einer Ausweitung ihrer bisherigen Arbeitstätigkeit gehindert war. Daß der neue "Partner" ausreichend leistungsfähig war, ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Kl. Sie hat nicht nur im Januar 1995 einen Urlaub mit dem neuen Partner verbracht, sondern auch im Januar 1997 einen weiteren Urlaub. Wenn die Kl. dies auch als Weihnachtsgeschenke darstellte, so wird daraus doch ein gehobener Lebensstandard deutlich, aus dem abgeleitet werden konnte, die Kl. sei in der Lage, ihren Bedarf selbst zu decken. Hinzu kommt, daß sich der Bekl. durch Senatsvergleich v. 10. 11. 1995 verpflichtet hatte, im Laufe eines Jahres seit dem 31. 12. 1995 Trennungsunterhalt i. H. von jedenfalls 15.000 DM an die Kl. nachzuzahlen.

Aufgrund dieser Umstände und des langen Zeitablaufs brauchte der Bekl. unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr damit zu rechnen, nachträglich auf Zahlung rückständigen Unterhaltes in Anspruch genommen zu werden. Nach ihrem Vorbringen in der Klageschrift hat die Kl. ersichtlich auch erst ihre erneute Arbeitslosigkeit seit dem 1. 5. 1997 zum Anlaß genommen, Unterhaltsansprüche gegen den Bekl. - erneut - geltend zu machen.

c) Aufgrund der Verwirkung hat die Kl. keine Ansprüche auf Zahlung rückständigen Unterhaltes. Dabei kommt es nicht darauf an, daß ein Zeitraum von einem Jahr als äußerste Grenze angesehen werden kann, von der an die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen in Betracht kommt, so daß die Auffassung vertreten werden könnte, nur die über ein Jahr zurückliegenden Unterhaltsansprüche seien verwirkt (so OLG Düsseldorf, a.a.O.). Denn die Verwirkung beseitigt die anspruchsbegründenden Wirkungen von Inverzugsetzung oder Rechtshängigkeit, so daß jede Möglichkeit, Unterhalt für die Vergangenheit zu fordern, entfällt. Gemäß § 1613 I BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich nicht verlangt werden. Ausnahmsweise kann nur von dem Zeitpunkt an Unterhalt gefordert werden, in welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Daraus folgt, daß eine bereits eingetretene Verwirkung nicht für einen Teil der verwirkten Ansprüche durch Klageerhebung rückwirkend wieder beseitigt werden kann. Da Unterhaltsansprüche sukzessiv fällig werden, erfaßt die Verwirkung, ist sie einmal eingetreten, zwangsläufig so lange auch Einzelansprüche, die, vom Zeitpunkt der Vollendung des Verwirkungstatbestandes aus gesehen, in der Zukunft liegen, bis die Verwirkung durch erneute Inverzugsetzung oder Klageerhebung für die darauffolgende Zeit entfällt (OLG Hamburg, FamRZ 1990, 1271, 1273).

Erneuter Verzug des Bekl. ist erst ab Kenntnis der Klageschrift v. 16. 5. 1997 eingetreten, so daß davorliegende Ansprüche der Kl. verwirkt sind und nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB §§ 1585b, 1613 I, 242