„Busenwitwe” II
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
25. 11. 2004
Aktenzeichen
27 O 727/04
Die einstweilige Verfügung wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Tatbestand:
Die Antragstellerin macht einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend..
Sie ist die Witwe des im März 2003 nach einem Überfall gestorbenen Schönheitschirurgen ..., bei dem sie sich einer Schönheitsoperation an der Brust unterzog. Anlässlich dieser Brustoperation ließ sie sich zusammen mit ... mit entblößter Brust fotografieren. Im Übrigen zog die Antragstellerin das Interesse der Medien auch durch ihren ostentativ extravaganten Lebensstil auf sich. Nach dem Tod ihres Mannes geriet die Antragstellerin in den Verdacht, an der Tötung ihres Mannes beteiligt gewesen zu sein und befand sich deswegen sechs Monate in Untersuchungshaft. Zwischenzeitlich wurde sie rechtskräftig wegen Vortäuschens einer Straftat und versuchten Versicherungsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich wurde eine Geldbuße von 30.000,00 EUR verhängt.
Die Antragsgegnerin verlegt nach Behauptung der Antragstellerin die Zeitschrift ..., in deren Ausgabe vom 04.08.2004 sie einen Artikel veröffentlichte, der sich unter der Überschrift "Ihr Trauerjahr dauerte nur 23 Tage" mit der Antragstellerin befasste. Über der Überschrift hieß es in Fettdruck und in einer gegenüber dem Fließtext größeren Schrift:
"Busen-Witwe ... - kaum war ihr Millionärs-Gatte tot, suchte sie einen neuen 'älteren Mann'"
Sie macht geltend:
Es finde auch nach Abschluss des Strafverfahrens eine mediale Hetze gegen sie statt. Auch in dem streitgegenständlichen Artikel würden mehrere unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Die Bezeichnung als "Busenwitwe" stelle eine schwere Persönlichkeiitsrechtsverletzung dar, weil sie im Kontext der streitgegenständlichen Veröffentlichung besonders beleidigend sei. Im Hinblick auf die angeblich kurze Trauerzeit werde auf die Assoziation "fröhliche Witwe" abgezielt. Der Artikel zeige eine sexistische und vorverurteilende Ausrichtung und verhindere, dass sie nach Abschluss des Strafverfahrens ihren Ruf rehabilitieren könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung war aufzuheben, weil sie nicht zu Recht ergangen ist (§§ 925, 936 ZPO). Die Antragstellerin hat nämlich keinen Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung als "Busenwitwe" aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
Abgesehen davon, dass nicht glaubhaft gemacht ist, dass die Antragsgegnerin die Zeitschrift ... verlegt und deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnte, stellt die Bezeichnung der Antragstellerin als "Busenwitwe" eine zulässige Meinungsäußerung dar, die auch keine Beleidigung im Sinne der §§ 185 ff. StGB enthält. Die Kammer gibt ihre insoweit in früheren Verfahren vertretene Auffassung auf. Diese Auffassung beruhte insbesondere auf der Annahme, dass sich die Antragstellerin zwar vor dem Tod ihres Mannes anlässlich ihrer Brustoperation mit entblößtem Busen hat fotografieren lassen (gerichtsbekannte Fotoveröffentlichung in der "Bild"-Zeitung vom 29.01.2002), dass aber weitere Fotos von ihrem unverhüllten Busen nicht mit ihrer Zustimmung, sondern nur ohne Einwilligung veröffentlicht worden sind, insbesondere nicht nach dem Tod ihres Mannes. Die Kammer hatte im Verfahren 27.O.796/03 auf dieser Grundlage zu der Frage der Zulässigkeit der Bezeichnung der Antragstellerin als "Busenwitwe" Folgendes ausgeführt:
"Die Bezeichnung der Antragstellerin als "Busen-Witwe" ist ehrverletzend, weil dieser Ausdruck sie in geschlechtsspezifischer Weise diskriminiert, indem er den Busen der Antragstellerin auch in ihrer gegenwärtigen Situation nach dem Tod ihres Mannes als das hervorstechende Charakteristikum hervorhebt, ohne dass die Antragstellerin dazu begründeten Anlass gegeben hatte.
Die Entscheidung der Antragstellerin, sich einer Brustoperation zu unterziehen, kennzeichnet aber eine Phase ihres Lebens, die mit der gegenwärtigen Situation der Antragstellerin nach dem gewaltsamen Tod ihres Ehemannes nichts zu tun hat. Aktuell sieht sich die Antragstellerin mit dem Vorwurf konfrontiert, an dem Tod ihres Ehemannes mit schuld zu sein. Indem die Antragsgegnerin in dieser Situation die Tatsache, dass die Antragstellerin zur Witwe wurde, mit ihrem Busen in Verbindung bringt, erweckt sie den Eindruck, als ob das Bemühen, ein Schönheitsideal darzustellen, auch gegenwärtig das Tun und Trachten der Antragstellerin bestimme und dass sie ohne Rücksicht auf den Tod ihres Mannes weiterhin in erster Linie bemüht sei, sich mit ihrem kunstvoll modellierten Busen zu brüsten. Entsprechend freizügig hat sich die Antragstellerin aber seither nicht mehr gezeigt. Auch wenn sie in Erwägung zieht, ihr früheres Leben in einem Buch noch einmal Revue passieren zu lassen, so handelt es sich dabei doch um ihre Vergangenheit.
Der von der Antragsgegnerin kreierte Begriff der "Busen-Witwe" ist auch ehrabträglich. Anders als die Bezeichnung "Busen-Star" oder "Busen-Wunder", an die die Antragsgegnerin mit ihrem Wortspiel anknüpft, ruft die Bezeichnung als "Busen-Witwe" nämlich keinerlei Bewunderung hervor. Vielmehr assoziiert sie die Vorstellung, dass sich die Antragstellerin in ihrer neuen Lage unangemessen verhalte, weil eine um ihren Ehemann schicklich trauernde Witwe sich traditionell bedeckt hält und nicht ihre freie Brust zur Schau trägt."
Diese Begründung ist angesichts des von der Antragsgegnerin vorgelegten Fotos sowie der gerichtsbekannten Art und Weise, wie sich die Antragsgegnerin mit ihrem neuen Partner ... in der Zeitschrift ... präsentierte, nämlich in schwarzer Unterwäsche kniend neben dem in einem Sessel sitzenden angezogenen Hr. ..., offensichtlich nicht mehr tragfähig, stellt sich die Antragstellerin doch nach wie vor anscheinend bevorzugt in sexuell aufreizender Pose dar.
Das Kammergericht hat in seinem in dem Verfahren 27.O.796/03 - 9 U 49/04 ergangenen Berufungsurteil ausgeführt:
"Mit dem Kunstwort "Busenwitwe" suggeriert und postuliert die Antragsgegnerin der Leserschaft, dass sich die Antragstellerin selbst nahezu ausschließlich über ihren - zum Teil künstlich geschaffenen - Busen definiert und dies auch heute noch tut bzw. die Öffentlichkeit die Antragstellerin so wahrnimmt und wahrnehmen soll. Die Antragsgegnerin setzt dieses Kunstwort gezielt ein, um die Antragstellerin und ihre Geschichte für die Leser in einem Wort plakativ zusammenzufassen, wobei sie den dann eingeführten Begriff als zentralen Bestandteil der Berichterstattung immer weiter verwendet. Diese Art der öffentlichen Herabsetzung ihrer Persönlichkeit muss die Antragstellerin nicht hinnehmen.
Enthält eine Äußerung einen ehrkränkenden Inhalt, ist eine Abwägung der betroffenen Grundrechte erforderlich (BVerfG NJW 2002, 3167), also zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht vorzunehmen. Diese geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus, da sie nachvollziehbare Gründe für die ehrverletzende Wortschöpfung nicht vorzutragen vermag. Die Antragstellerin ist bisher nie vergleichbar bezeichnet worden, auch nicht als "Busenstart" oder "Busenwunde". Sie selbst hat sich selbst weder gegenwärtig noch in der Vergangenheit ausschließlich über ihren Busen definiert und ist in der Presse nur als "Luxusweib" oder "Jet-Set-Geschöpf" in Erscheinung getreten. Dass hierbei ihre körperlichen Reize mit zur Sprache kamen, rechtfertig nicht die Verkürzung ihre Person auf den Begriff der Busen-Witwe. Daran ändert auch die öffentlich gemachte Brustoperation nichts; worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Unstreitig ist auch der verstorbene Ehemann der Antragstellerin, der ein anerkannter Schönheitschirurg war, vor seinem Tod in der Medienberichterstattung nicht auf den Standard eines "Busendoktors" reduziert worden."
Auch diese Begründung ist nach Auffassung der Kammer angesichts der genannten Art und Weise, wie sich die Antragstellerin in den Medien präsentiert, nicht aufrecht zu erhalten. Eben weil sich die Antragstellerin nämlich ständig in obszönen und sexuell aufreizenden Posen in der Öffentlichkeit präsentiert, erscheinen ihre aus ihrem Persönlichkeitsrecht fließenden berechtigten Interessen an einer Unterlassung dieser Bezeichnung gegenüber den sich aus der Meinungsfreiheit der Antragsgegnerin ergebenden Interessen geringer wertig: Es findet mit der Verwendung des beanstandeten Begriffs gerade keine unzulässige Reduzierung der Persönlichkeit der Antragstellerin auf ihre sexuellen Reize statt, sondern es handelt sich um eine gerade im Rahmen der Boulevardberichterstattung übliche verkürzende und schlagwortartige Beschreibung der Selbstdarstellung der Antragstellerin, die angesichts der genannten typischen Prägung ihres Auftretens in der Öffentlichkeit zulässig ist.
Mit der Wortschöpfung "Busenwitwe" wird eine Verbindung hergestellt zwischen ihrem Busen und ihrem Familienstand sowie, da ihr Ehemann bekanntermaßen erschlagen wurde, mit der Tötung von ... . Damit werden aber in zulässiger Weise die beiden Merkmale durch eine besonders prägnante Formulierung mitgeteilt, aufgrund derer die Antragstellerin in das Licht der Öffentlichkeit getreten ist und sich weiterhin dort bewegt: Nämlich ihre zumindest auch durch Operationen bewirkten tatsächlichen oder vermeintlichen körperlichen Vorzüge sowie der Tod ihres Ehemanns, der die besagten Operationen unter gewollter Aufmerksamkeit der deutschen Boulevardmedien durchführte. Da die Antragstellerin sich nach wie vor vor allem durch die ZurschausteIlung ihres Körpers, insbesondere ihrer Brüste in den Medien in sexuell aufreizenden Posen präsentiert, sei es in Unterwäsche oder nackt, ist es nicht zu beanstanden, dass dieser Umstand auch mit entsprechenden Formulierungen von den Medien aufgegriffen wird. Auch die Verknüpfung mit dem Wort "Witwe" ist unter diesem Gesichtspunkt zulässig. Denn dass die Antragstellerin Witwe ist, ist von den in der Öffentlichkeit verbreiteten Lebensumständen der Antragstellerin einer der bekanntesten überhaupt, der erst dazu geführt, dass sich die Medien in besonderem Maße für die Antragstellerin interessierten.
Soweit die Antragstellerin sich dagegen wenden sollte, dass mit dem Wort "Busenwitwe" die Assoziation geweckt wird, sie verhalte sich nicht angemessen angesichts des nicht allzu lange zurückliegenden Todes ihres Mannes, so mag dies der Fall sein ist aber ebenfalls nicht zu beanstanden, weil dies an den tatsächlichen Lebensstil der Antragstellerin anknüpft und insoweit jedenfalls kein falscher Eindruck hervorgerufen wird und daher auch nicht ehrabträglich ist. Ob das Verhalten der die Öffentlichkeit ständig suchenden Antragstellerin für unschicklich gehalten wird oder nicht, mögen die Leser der von der Antragsgegnerin verlegten Zeitschrift beurteilen. Die beanstandete Äußerung knüpft jedenfalls nicht an falsche Tatsachen an. Sie vermengt auch keine wahren Tatsachen unter Hervorrufung eines falschen Eindrucks. Die Ehre der Antragstellerin als der ihr zukommende Achtungsanspruch in der Gesellschaft, der insbesondere auf ihrem Verhalten beruht, wird ebenfalls nicht beeinträchtigt, weil die beanstandete Wortschöpfung gerade an ihr tatsächliches Verhalten anknüpft. Infolgedessen stellt der Begriff auch keine Schmähkritik dar, die nur anzunehmen wäre, wenn es der Antragsgegnerin ohne Rücksicht auf eine sachliche Auseinandersetzung allein um die Herabwürdigung der Person der Antragstellerin ginge, was aus den zuvor dargestellten Gründen nicht der Fall ist, da ein sachlicher Bezugspunkt für den beanstandeten Begriff im Verhalten der Antragstellerin liegt. Soweit die Antragstellerin meint, durch die angegriffene Formulierung werde in sexistischer und vorverurteilender Weise die Rehabilitierung ihres Rufs behindert, ist dem ebenfalls entgegenzuhalten, dass die Formulierung lediglich ein Verhalten der Antragstellerin beschreibt; die Lebensweise und Darstellungsart der Antragstellerin prägen ihren Ruf, nicht die daran anknüpfende Formulierung der Antragsgegnerin. Eine "Vorverurteilung" ist nicht ersichtlich, weil die Antragsgegnerin, soweit ersichtlich, in zutreffender Weise das Strafverfahren schildert und die Antragstellerin ja bereits verurteilt ist.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Mauck Gollan Becker
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