Vier Jahre altes Hotel als "neu eröffnet" angepriesen
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 07. 2005
Aktenzeichen
2-19 O 244/04
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich und seine Lebensgefährtin für die Zeit vom 24.12.2003 bis 7.1.2004 eine Reise nach Antigua in das C. Resort zum Preis von 7.734,- EUR. Die nach dem Reiseprospekt "neu eröffnete" Hotelanlage war bereits ca. vier Jahre alt, die angeblich dort befindlichen "zwei schönsten Sandstrände" waren nach Darstellung des Klägers mit Algen verschmutzt und lagen in der Nähe eines Brackwassersees. Deshalb und wegen Belästigungen durch Ungeziefer, Tiere und Bauarbeiten wollte der Kläger das Hotel wechseln. Am 29.12.2003 teilte die örtliche Reiseleiterin der Beklagten mit, dass ein Hotelwechsel frühestens am 4.1.2004 möglich wäre. Der Kläger kündigte den Reisevertrag; die Reiseleiterin lehnte eine Organisation des vorzeitigen Rückfluges ab, was der Kläger daraufhin selbst erledigte. ...
Der Kläger verlangt den gesamten Reisepreis zurück, die zusätzlichen Kosten für den vorzeitigen Rückflug, eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude sowie Schadensersatz wegen Insektenbissen. ...
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger den von diesem gezahlten Reisepreis - allerdings unter Abzug einer Entschädigung für erbrachte Reiseleistungen - zurückzuzahlen, weil der Kläger den Reisevertrag wegen einer erheblichen Beeinträchtigung zu Recht gekündigt hat (§ 651 e Abs.3 BGB).
Die Reise war mangelhaft (§ 651 c Abs.1 BGB). Ein Reisemangel liegt zunächst in dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, weil nämlich die Hotelanlage entgegen der Ankündigung im Reiseprospekt keineswegs neu eröffnet war. Hierunter ist nach der Verkehrsauffassung eine im letzten, allenfalls vorletzten Jahr vor der Reise eröffnete Anlage zu verstehen. Die Beklagte räumt aber selbst ein, dass die Anlage bereits vier Jahre alt war.
Auch ansonsten war die Reise mangelhaft, weil die Hotelanlage in abgewohntem Zustand war, dort an drei Tagen Bauarbeiten ausgeführt wurden und zudem die vorhandenen Strände in keiner Weise den durch die Prospektbeschreibung erweckten Erwartungen entsprachen. Dies steht auf Grund der vom Kläger vorgelegten Fotografien, welche - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter unstreitig geworden ist – die örtlichen Gegebenheiten zutreffend darstellen, zur Überzeugung der Kammer fest. Nach der Beschreibung musste der Kläger, der ein "Designer Hotel" in der Karibik gebucht hatte, weder eine weitgehend überholungsbedürftige Hotelanlage erwarten noch ungepflegte, mit Algen verschmutzte Strände in der Nähe von Brackwasser. Zudem wurde unstreitig entgegen der Katalogbeschreibung das Mittagessen nicht als Menü gereicht. Dies alles stellt einen Reisemangel dar, der nach wertender Gesamtbetrachtung durch die Kammer eine Reisepreisminderung von 30 % rechtfertigt. Dagegen war mit dem Auftreten von Insekten in der Karibik zu rechnen. Auch lässt der Vortrag des Klägers zur Qualität des Services und der gereichten Mahlzeiten nicht erkennen, dass insoweit eine über eine bloße Unannehmlichkeit hinausreichende Beeinträchtigung vorlag. Insgesamt bleibt es daher bei einer Beeinträchtigung des Reisewertes von 30 %.
Bei dieser Sachlage lag aber jedenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor, die den Kläger zur Kündigung berechtigte (§ 651 e Abs.1 BGB). Hierfür ist maßgeblich, ob bei Gesamtwürdigung aller Umstände dem Reisenden die Fortsetzung der Reise angesichts der Reisemängel zumutbar ist, wobei auf starre Prozentsätze nicht abgestellt werden kann (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2005, 371). Angesichts der Beschreibung der Anlage durch die Beklagte als "stilvolle Cottages mit herrlicher Aussicht... in unmittelbarer Nähe der zwei schönsten Sandstrände im Westen der Insel" und der dadurch geweckten hohen Erwartungen wiegen die vorgefundenen Mängel so schwer, dass eine Fortsetzung der Reise durch den Kläger und seine Mitreisende nicht erwartet werden konnte. Einer besonderen Fristsetzung (§ 651 e Abs.2 BGB) durch den Kläger bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung nicht, weil die Beklagte nicht in zumutbarer Zeit Abhilfe leisten konnte. Eine Abhilfe im Hotel selbst war nicht möglich, der von der Reiseleiterin versprochene Hotelwechsel hätte erst am 4.1.2004 und damit nur drei Tage vor dem geplanten Rückflug erfolgen können. Darauf musste sich der Kläger nicht einlassen.
Da der Kläger immerhin einen achttägigen Urlaub in der Karibik verbracht hat, wenngleich bei einem um 30 % beeinträchtigtem Reisewert, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die erbrachten Leistungen für ihn und seine Lebensgefährtin ohne Interesse waren. Hierfür steht der Beklagten daher eine Entschädigung zu (§ 651 e Abs.3 Satz 2 und 3 BGB), so dass sich der Rückzahlungsanspruch des Klägers wie folgt berechnet:
Der Kläger ist nach der Hälfte der Reisezeit zurückgereist, so dass er von den insgesamt gezahlten 7.734,- EUR 50 %, also 3.867,- EUR zurückverlangen kann. Aus dem restlichen Reisepreis ist eine 30 %ige Minderung vorzunehmen, was einen weiteren Anspruch von 1.160,10 EUR ergibt.
Schließlich kann der Kläger, da ihn die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung nicht zurückbefördert hat, die durch ihn für die Rückreise verauslagten Mehrkosten von insgesamt 225,54 EUR ersetzt verlangen (§ 651 e Abs.4 BGB). Es ergibt sich daher ein Rückzahlungsanspruch von insgesamt 5.252,64 EUR. Hierauf hat die Beklagte bereits 2.388,55 EUR gezahlt, so dass 2.864,09 EUR verbleiben.
Dem Kläger steht ferner eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude (§ 651 f Abs. 2 BGB) zu. Insoweit ist der Kläger allerdings nur aktiv legitimiert, soweit er den ihn selbst betreffenden Anspruch geltend macht, da es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch des Reisenden handelt, der nicht ohne weiteres durch den Vertragspartner des Reiseveranstalters geltend gemacht werden kann. Die Ansprüche seiner Lebensgefährtin könnte der Kläger daher nur unter besonderen Voraussetzungen, etwa dem Vorliegen einer entsprechenden Abtretungsvereinbarung (§ 398 BGB) geltend machen. Hierzu hat der Kläger aber trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises im Protokoll vom 18.1.2005 und im Termin vor dem Einzelrichter nichts vorgetragen.
Voraussetzung einer solchen Entschädigung ist allerdings eine erhebliche Beeinträchtigung oder eine Vereitelung der Reise. Von einer Vereitelung kann hier nicht ausgegangen werden, da immerhin die halbe Urlaubszeit bei um lediglich 30 % gemindertem Wert am vorgesehenen Urlaubsort verbracht wurde. Eine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne ist - im Gegensatz zur Rechtslage bei der Kündigungsmöglichkeit nach § 651 e BGB - nach allgemeiner und anerkannter Rechtsprechung, der die Kammer folgt, erst bei einer Beeinträchtigung von mindestens 50 % anzunehmen. Daraus folgt, dass dem Kläger für die am Urlaubsort verbrachten Tage keine Entschädigung zusteht. Dagegen ist diese für die zu Hause verbrachte restliche Urlaubszeit zu gewähren.
Die Höhe der Entschädigung war nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (RRa 2003, 25 = NJW-RR 2003, 640) mit 72,- EUR pro Person und Tag zu bemessen, worauf noch der Erholungswert des zu Hause verbrachten Resturlaubes anzurechnen war. Hieran hält die Kammer in Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH (RRa 2005,57 = NJW 2005, 1047) nicht mehr fest. Zwar hat der BGH in der genannten Entscheidung nicht ausdrücklich die Bemessung der Entschädigung nach festen Tagessätzen für unzulässig erklärt. Jedoch muss sich die Entschädigung an den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles orientieren und in angemessenem Verhältnis zum Umfang der Beeinträchtigung stehen, wobei das Einkommen des Reisenden kein geeigneter Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist (BGH, a.a.O.). Dem wird eine starr an den allgemeinen Nettoeinkünften der Erwerbstätigen orientierte Entschädigung nach Auffassung der Kammer ebenso wenig gerecht wie eine auf das tatsächliche Einkommen des Reisenden bezogene Entschädigung. Da im Übrigen auch das Tagessatzsystem in Hinblick auf die erheblichen Preisunterschiede bei Pauschalreisen wenig Einzelfallgerechtigkeit aufweist, hält die Kammer es für angebracht, hiervon abzugehen.
Als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung ist vielmehr auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat. Wie die Entschädigung bei Beeinträchtigung der Reise am Urlaubsort um mehr als 50 % zu bemessen ist, kann hier offen bleiben. Im vorliegenden Fall, in dem es ausschließlich um eine Entschädigung für den abgebrochenen Teil des Urlaubs geht, erscheint es jedenfalls sachgerecht, etwa die Hälfte des anteiligen Reisepreises anzusetzen, wobei eine weitere Kürzung wegen des Resterholungswertes des zu Hause verbrachten Urlaubs nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, a.a.O.).
Der anteilige Reisepreis des abgebrochenen Teils des Urlaubs beträgt für den Kläger 1.933,50 EUR. Die Hälfte hiervon sind 966,75 EUR. Die Kammer setzt die Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude daher auf 1.000,- EUR fest.
Schadensersatzansprüche wegen erlittener Insektenstiche (§§ 651 f Abs.1, 253 Abs. 2 BGB) bestehen nicht. ...
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