Anträge der Begleiterin von Fürst Albert II zurückgewiesen
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
01. 08. 2006
Aktenzeichen
27 O 769/06
Gründe:
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel am Verfügungsgrund, weil ...
Der Antragstellerin steht jedenfalls der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin als Verlegerin der Zeitschrift "..." aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 22 f. KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil die angegriffene Veröffentlichung seiner Bildnisse rechtsmäßig war.
Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder zur Schau gestellt werden, an der es hier fehlt. Von diesem Grundsatz nimmt § 23 Abs. 1 KUG unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus (Nr. 1). Dies gilt gemäß § 23 Abs. 2 KUG jedoch nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.
Dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind auch Bildnisse von Personen zuzuordnen, die das öffentliche Interesse nicht nur punktuell durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis auf sich gezogen haben, sondern unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit finden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verlangt keine Beschränkung der einwilligungsfreien Veröffentlichung auf Bilder, die Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen. Vielmehr kann sich das öffentliche Interesse wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen Wirkung auch auf Informationen darüber erstrecken, wie sich diese Personen generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion, in der Öffentlichkeit bewegen. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen. Eine Begrenzung der Bildnisveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publikum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1025).
Die Kammer geht davon aus, dass der mit der Antragstellerin abgebildete Freund der Antragstellerin, der Fürst von Monaco, in dessen Begleitung sie abgelichtet worden ist, eine solche Leitbildfunktion einnimmt und demgemäß als absolute Person der Zeitgeschichte einzustufen ist (vgl. Beschluss vom 6. Juni 2006 - 27 O 631/06). Die Antragstellerin ist hingegen - anders als ihr Freund und Begleiter - keine absolute Person der Zeitgeschichte, deren Auftreten in der Öffentlichkeit bereits als Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG angesehen werden könnte. Bei ihr wird das die Veröffentlichung rechtfertigende Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit daher nur im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Vorgang anerkannt. Als zeitgeschichtlicher Vorgang wird nach der sog. Begleiterrechtsprechung insoweit auch die vertraute Begleitung einer absoluten Person der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit angesehen. Bildnisse von Begleitpersonen dürfen danach verbreitet werden, wenn diese zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt. Dass die Antragstellerin mit dem Fürst von Monaco öffentlich auftritt, stellt auch die Antragstellerin nicht in Abrede. Die hier streitgegenständlichen Fotos sind zudem in Begleitung des Fürsten entstanden.
Die Veröffentlichung der Bildnisse der Antragstellerin ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht wegen des berechtigten Interesses am Schutz ihrer Privatsphäre unzulässig.
Der Schutz der Privatsphäre, der ebenso wie das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Ein Schutzbedürfnis besteht dabei auch bei Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1022). Allerdings ist die Privatsphäre anders als die Intimsphäre nicht absolut geschützt. Vielmehr ist zu beachten, dass bei einer Presseveröffentlichung das Persönlichkeitsrecht zu der mit gleichem Rang gewährleisteten Äußerungs- und Pressefreiheit in ein Spannungsverhältnis tritt, weswegen auch eine ungenehmigte Veröffentlichung zulässig sein kann, wenn eine alle Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung ergibt, dass das Informationsinteresse die persönlichen Belange des Betroffenen überwiegt (vgl. BVerfGE 35, 202, 221; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Abschnitt 5 Rdz. 60). Hiervon kann vorliegend auch dann nicht ausgegangen werden, wenn man berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes nicht nur "wertvolle" Informationen der Presse unter die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen, sondern dass diese Freiheit grundsätzlich auch zugunsten der Unterhaltungs- und Sensationspresse und damit auch für Mitteilungen besteht, die in erster Linie das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigen (vgl. BGH NJW 1999,2893,2894; BVerfGE 35,202,222 f.). Entscheidend ist letztlich, ob ein solches Unterhaltungsbedürfnis als gegenüber den Interessen des Betroffenen überwiegend anzuerkennen ist. Dies ist hier zu bejahen.
Die Fotos zeigen die Antragstellerin zwar in privater Urlaubssituation mit ihrem Begleiter, dem Fürsten von Monaco als einer absoluten Person der Zeitgeschichte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Fotos an Orten der Abgeschiedenheit aufgenommen wurden. Die Urlauber wähnten sich ausweislich der streitgegenständlichen Fotos keineswegs unbeobachtet, sondern waren umgeben von - jedenfalls zwei - Fotografen.
Zwar haben absolute Personen der Zeitgeschichte und - wenn wie hier das Interesse an der absoluten Person der Zeitgeschichte auf den Begleiter ausstrahlt - auch deren Begleiter nach Maßgabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch außerhalb von Orten der Abgeschiedenheit ein Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre (EGMR NJW 2004, 2647). Der EGMR hat zu Fotos, die Prinzessin Caroline von Hannover z. B. beim Einkaufen und beim Restaurantbesuch zeigen, u. a. ausgeführt:
Für den Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung komme es auf den Beitrag an, den Fotos oder Artikel in der Presse zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisteten (Tz. 60, 76). Hier handele sich nicht um die Verbreitung von "Ideen", sondern von Bildern mit sehr persönlichen Informationen über einen Menschen (Tz. 59), nämlich von Fotos, welche die Beschwerdeführerin im Alltagsleben bei rein privaten Tätigkeiten zeigen (Tz. 61). Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass derartige in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen entstünden, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und als Verfolgung empfunden werden (Tz. 59, 68). Auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person müsse eine "berechtigte Hoffnung" auf Schutz und Achtung ihrer Privatsphäre haben können (Tz. 69, 78). Die Einstufung als absolute Person der Zeitgeschichte könne für Persönlichkeiten aus dem Bereich der Politik gelten, die öffentliche Ämter bekleiden, nicht aber für eine "Privatperson" wie die Beschwerdeführerin, die zwar einer Herrscherfamilie angehöre, aber selbst keine offiziellen Funktionen ausübe (Tz. 72). Das Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit sei unzureichend und zu vage um einen wirksamen Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten (Tz. 74, 75). Ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich die Beschwerdeführerin allgemein in ihrem Privatleben - sei es auch an nicht abgeschiedenen Orten - verhalte, fehle oder müsse jedenfalls ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften an der Veröffentlichung von Fotos und Artikeln hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz ihrer Privatsphäre zurücktreten (Tz. 77).
Die Leitgedanken des Urteils des EGMR vom 24.06.2004 sind auf den vorliegenden Fall allerdings nicht zu übertragen. Die Entscheidungen des EGMR beanspruchen nur hinsichtlich des konkreten Streitgegenstandes und nur im Verhältnis zwischen Beschwerdeführer und betroffenem Vertragsstaat materielle Rechtskraft. Die Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des Gerichtshofs sind im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen und in das nationale Rechtssystem einzupassen. Dabei ist das Grundgesetz völkerrechtsfreundlich, d.h. nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entsteht (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04).
Entgegen der aufgeworfenen Zweifel des EGMR ist am Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte auch für Personen außerhalb der Politik festzuhalten, da dies mit der Entschließung 1165 (1998) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über das Recht auf Achtung des Privatlebens, wonach z. B. auch diejenigen Personen im öffentlichen Interesse stehen, die in der Wirtschaft, der Kunst oder im Sport eine Rolle im öffentlichen Leben spielen, im Einklang steht. Es entspricht aber dem Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, dass Prominente bei rein privaten Tätigkeiten im Alltagsleben vor einer Verfolgung durch Fotografen geschützt werden (Kammergericht, AfP 2004, 564).
Der Fürst von Monaco ist anders als seine Schwester keine "Privatperson", sondern bekleidet als Staatsoberhaupt ein öffentliches Amt und übt anders als sie offizielle Funktionen aus. An seiner Lebensführung besteht demgemäß ein gesteigertes öffentliches Interesse. Dies erstreckt sich insbesondere auch darauf, wer die Frau an seiner Seite ist. Offensichtlich haben der Fürst und die Antragstellerin als seine Begleiterin sich in ihrem Urlaub der Fotografen auch nicht erwehrt, sondern die Anfertigung von Fotos - sehenden Auges - hingenommen. Die Antragstellerin kann sich daher auch nicht darauf berufen, bei den Malediven, wo die Fotos entstanden sind, handle es sich grundsätzlich um einen Ort der Abgeschiedenheit. Das Informationsinteresse daran, an der Seite welcher Frau der noch immer unverheiratete Fürst seine Urlaube verbringt, überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin am Schutz ihrer Privatsphäre.
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