Gebührenteilung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
01. 06. 2006
Aktenzeichen
I ZR 268/03
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Emmerich. Der Beklagte,
der als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Dortmund tätig ist, vertritt ständig die
S-Unfallversicherung. Er wandte sich mit Schreiben vom 20. September 2002
an den Kläger mit der Bitte um Wahrnehmung des Termins in einem Rechtsstreit
der S-Unfallversicherung vor dem Amtsgericht Emmerich. In dem Schreiben
heißt es u.a.:
Wir bitten Sie, unsere ständige Mandantin, S-Unfallversicherung a.G.,
in obiger Angelegenheit zu vertreten und obigen Termin zur mündlichen
Verhandlung für uns wahrzunehmen.
Des weiteren bitten wir, dass die entstehenden Gebühren (einschl. § 26
BRAGO) - mit Ausnahme der Korrespondenzanwaltsgebühr, Kosten eines
Unterbevollmächtigten pp., die üblicherweise nicht als erstattungsfähig
angesehen werden - zwischen uns geteilt werden.
Der Kläger, der die Übernahme des Mandats ablehnte, ist der Auffassung,
der Beklagte habe die Übertragung des Mandats von einer unzulässigen
Unterschreitung der Anwaltsgebühren abhängig gemacht und sich dadurch
wettbewerbswidrig verhalten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es
zu unterlassen, Rechtsanwälten Terminsvertretungsmandate zu niedrigeren
als den gesetzlichen in §§ 53 und 33 Abs. 3 BRAGO festgehaltenen
Gebühren anzutragen oder zu erteilen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten
ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsbegehren nach § 1 UWG
(a.F.) i.V. mit § 49b Abs. 1 BRAO für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Das Angebot des Beklagten zur Mandatsübernahme enthalte das Ansinnen
an den Kläger, gegen eine unter den gesetzlichen Gebühren liegende Vergütung
tätig zu werden. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts zu niedrigeren als
den gesetzlichen Gebühren verstoße gegen § 49b Abs. 1 BRAO. Bereits der
Vorschlag des Beklagten zu einem solchen Verhalten sei wettbewerbsrechtlich
unlauter. Dies gelte unabhängig davon, ob der Beklagte den Kläger im eigenen
oder im Namen seiner Mandantin mit der Terminswahrnehmung beauftragt habe.
Das Gesetz lasse eine Unterschreitung der Höhe der gesetzlichen Gebühren
aufgrund persönlicher Merkmale nur im Rahmen des § 49b Abs. 1 Satz 2
BRAO zu. Es räume einem Rechtsanwalt nicht das Recht ein, die gesetzlichen
Gebühren für den Fall zu ermäßigen, dass ein anderer Rechtsanwalt sein Auftraggeber
sei. Die Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung
durch einen anderen als den sachbearbeitenden Rechtsanwalt sei auch keine
gemeinsame Bearbeitung eines Auftrags durch mehrere Rechtsanwälte i.S. von
§ 49b Abs. 3 Satz 5 BRAO.
II. Die Revision ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach
§ 1 UWG a.F. und §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG nur im zuerkannten Umfang
zu. Der Beklagte hat einen Wettbewerbsverstoß im Sinne dieser Vorschriften
begangen, weil er mit seinem Schreiben vom 20. September 2002 den Kläger
dazu veranlassen wollte, die Vertretung der Mandantin zu geringeren als den in
§ 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren zu übernehmen.
1. Die berufsrechtlichen Bestimmungen über Mindestpreise nach der
Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und
dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sind Vorschriften, denen eine auf die Lauterkeit
des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zukommt. Sie sollen einen
Preiswettbewerb um Mandate und die mittelbare Vereinbarung von Erfolgshonoraren
in gerichtlichen Verfahren verhindern (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf,
BT-Drucks. 12/4993, S. 31 zu § 49b BRAO). Bei derartigen Mindestpreisvorschriften
handelt es sich daher um Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11
UWG. Ihre Verletzung ist wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG a.F. und §§ 3, 4
Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 30.9.2004 - I ZR 261/02, GRUR 2005, 433, 435 =
WRP 2005, 598 - Telekanzlei; Urt. v. 30.9.2004 - I ZR 135/02, FamRZ 2005,
1086; zu der Mindestpreisvorschrift des § 4 Abs. 2 HOAI: BGH, Urt. v.
15.5.2003 - I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP 2003, 1350 - Ausschreibung
von Vermessungsleistungen).
2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Beklagte den Kläger
im eigenen Namen oder im Namen der S-Unfallversicherung mit der Terminsvertretung beauftragt hat. Es hat angenommen, der Beklagte habe mit seinem
Schreiben vom 20. September 2002 dem Kläger, unabhängig von der Frage, in
wessen Namen die Mandatserteilung erfolgte, die Terminsvertretung gegen
eine Vergütung angetragen, durch die die Mindestgebühren nach der BRAGO
unterschritten würden. Dieser Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht beigetreten
werden. Nur wenn der Beklagte - wovon im Streitfall auszugehen ist (vgl.
Abschnitt II 3 b) - dem Kläger die Terminsvertretung namens seiner Partei antrug,
entsprachen die dem Kläger angebotenen Gebühren nicht der in § 53
BRAGO für die Terminsvertretung vorgesehenen Vergütung.
a) Der Rechtsanwalt, dem die Partei oder mit deren Einverständnis der
Prozessbevollmächtigte nur für die mündliche Verhandlung die Vertretung oder
die Ausführung der Parteirechte übertragen hat, erhält nach § 53 Satz 1 und
Satz 3 BRAGO eine halbe Prozessgebühr und eine Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr und, soweit sich die Vertretung auch auf eine Beweisaufnahme
erstreckt, die Beweisgebühr.
Nach der Rechtsprechung des Senats und der ganz überwiegenden
Meinung im Schrifttum erhält der mit der Terminsvertretung beauftragte
Rechtsanwalt die Gebühren des § 53 BRAGO entsprechend dem Wortlaut der
Vorschrift nur, wenn ihm die Partei oder mit deren Einverständnis der Prozessbevollmächtigte
die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen
hat. Erteilt dagegen der Prozessbevollmächtigte einem Terminsvertreter im eigenen
Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so wird kein Vertragsverhältnis
zwischen der Partei und dem Terminsvertreter begründet. Die Pflicht
zur Entschädigung des Terminsvertreters richtet sich nach der internen Vereinbarung
zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der
für die Ansprüche des Terminsvertreters einzustehen hat. Ein Verstoß gegen
§ 49b Abs. 1 BRAO ist nicht gegeben, wenn der Terminsvertreter in einem der-
artigen Fall weniger als die in § 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren erhält,
weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift - das übersieht das Berufungsgericht
in seiner gegenteiligen Entscheidung - nicht vorliegen (BGH, Urt. v.
29.6.2000 - I ZR 122/98, GRUR 2001, 256, 257 = WRP 2001, 144 - Gebührenvereinbarung I; OLG Hamm AnwBl 1978, 182, 183; Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 6. Aufl., § 49b BRAO Rdn. 41; Dittmann in Henssler/
Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 2. Aufl., § 49b BRAO Rdn. 9; Kleine-
Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 49b Rdn. 23; Keller in Riedel/
Sußbauer, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 8. Aufl., § 53 Rdn. 5, § 33
Rdn. 27; Kilian, WuB VIII B § 49b BRAO 1.01; ebenso zum RVG: N. Schneider
in Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., § 5 Rdn. 17 ff.; Madert in Gerold/
Schmidt/v. Eicken/Madert, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (2004), § 4
Rdn. 203 f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 5 RVG Rdn. 1; a.A.
Henssler/Steinkraus, LM, § 1 UWG Nr. 827; Praefcke, BRAK-Mitt. 2001, 142).
b) Soweit gegen die Rechtsprechung des Senats Bedenken erhoben
worden sind (vgl. Henssler/Steinkraus, LM, § 1 UWG Nr. 827, Bl. 3; Praefcke,
BRAK-Mitt. 2001, 142), wurden diese auf die Gefahr einer nicht ausreichenden
Entlohnung des Terminsvertreters bei gleichwohl bestehendem Haftungsrisiko
gestützt. Dass in der Anwaltschaft in einem ins Gewicht fallenden Umfang unangemessene
Gebührenvereinbarungen zu Lasten des Terminsvertreters getroffen
werden, haben aber weder der Kläger konkret dargelegt noch das Berufungsgericht
festgestellt. Vielmehr hat der Beklagte im vorliegenden Fall eine
hälftige Gebührenteilung angeboten, die in derartigen Fällen weit verbreiteter
Übung entspricht und gegen die unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit
im Regelfall keine Bedenken bestehen (vgl. auch § 22 BORA zur hälftigen Teilung
der Gebühren im Fall des § 49b Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BRAO).
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht anhand der nach dem Inkrafttreten
des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 seit dem 1. Juli
2004 geltenden Gesetzeslage geboten. Durch sie hat sich an der Unzulässigkeit
einer Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren bei der Einschaltung eines
Terminsvertreters im Namen der Partei und an der Zulässigkeit einer Gebührenvereinbarung ohne Bindung an die Gebührentatbestände gemäß
Nr. 3401 und Nr. 3402 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bei der Beauftragung des Terminsvertreters im
Namen des Prozessbevollmächtigten nichts geändert.
Beauftragt der Prozessbevollmächtigte den Terminsvertreter im eigenen
Namen, hat der Prozessbevollmächtigte nach § 5 RVG einen Vergütungsanspruch
nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gegen die eigene Partei.
Auch in diesem Fall kommt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Terminsvertreter
und dem Prozessbevollmächtigten und nicht mit der Partei zustande. Für die
Verteilung der Vergütung ist die hierzu zwischen dem Terminsvertreter und dem
Prozessbevollmächtigten getroffene interne Absprache ohne Bindung an die in
Nr. 3401 und Nr. 3402 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehenen Gebühren maßgeblich
(N. Schneider in Gebauer/Schneider aaO § 5 Rdn. 17 ff.; Römermann in Hartung/
Römermann, RVG, § 5 Rdn. 53; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke,
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Stichwort: Terminsgebühr des Teil 3, 7.7
Terminsanwalt; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert aaO § 4 Rdn. 203;
Hartmann aaO Anlage 1 zum RVG VV 3401 Rdn. 3). In Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung ist regelmäßig eine hälftige Teilung der Gebühren
angemessen (Hartmann aaO Anlage 1 zum RVG VV 3401 Rdn. 3; vgl. auch
§ 22 BORA zum Anwendungsbereich des § 49b Abs. 3 Satz 2 und Satz 3
BRAO). Diesem Ergebnis steht § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht entgegen. Danach
bemisst sich die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkei-
ten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach dem RVG. Der Anwendungsbereich
dieser Vorschrift ist auf das Verhältnis zwischen Anwalt und
Mandant beschränkt. Denn der mit der Einführung von Mindestgebühren verfolgte
Zweck, einen ruinösen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, wird
bei einer angemessenen Aufteilung der dem Prozessbevollmächtigten nach
dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zustehenden Vergütung nicht berührt.
Auch der Entstehungsgeschichte des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist
nichts dafür zu entnehmen, dass die zuvor bereits ohne Bindung an § 53
BRAGO von der Rechtsprechung als zulässig angesehene Gebührenteilung
abgeschafft werden sollte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks.
15/2403 Anlage I und BT-Drucks. 15/1971, S. 187 zu § 1 und S. 188 zu
§ 5 RVG sowie S. 218 zu VV Nr. 3401).
Im Übrigen könnte eine sich erstmals aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
ergebende Unzulässigkeit der in Rede stehenden Gebührenteilung
zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nicht herangezogen werden,
der - wie im Streitfall - aus einem Verhalten des Beklagten vor Inkrafttreten des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hergeleitet wird (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2000
- I ZR 185/98, GRUR 2001, 348, 349 = WRP 2001, 397 - Beratungsstelle im
Nahbereich).
3. Danach kommt es für die Frage, ob der Beklagte mit dem Auftragsschreiben
vom 20. September 2002 den Kläger dazu veranlassen wollte, unter
Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO, § 53 BRAGO eine unterhalb der gesetzlichen
Gebühren liegende Vergütungsvereinbarung zu treffen, darauf an, ob die
Terminsvertretung dem Kläger vom Beklagten im eigenen Namen oder im Namen
der Mandantin angetragen worden ist.
a) Die gebotene Auslegung des Schreibens des Beklagten vom
20. September 2002 hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen und die Frage
offen gelassen, in wessen Namen der Kläger mit der Terminsvertretung beauftragt
werden sollte. Die Auslegung des Schreibens vom 20. September 2002
kann der Senat vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu
erwarten sind und die Sache zur abschließenden Entscheidung nach § 563
Abs. 3 ZPO reif ist.
b) Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 20. September 2002 sollte
der Kläger die Mandantin des Beklagten vertreten. Daraus folgt, dass der Beklagte
den Kläger nicht im eigenen Namen beauftragt, sondern namens der
S-Unfallversicherung gehandelt hat. Dem Schreiben des Beklagten ist auch
nichts dafür zu entnehmen, dass er für eine Gebührenforderung des Klägers
persönlich einstehen wollte. Soweit der Kläger nach dem weiteren Inhalt des
Schreibens vom 20. September 2002 den Termin für das Rechtsanwaltsbüro,
dem der Beklagte angehört, wahrnehmen sollte, folgt daraus keine Beauftragung
im eigenen Namen, sondern nur der Umfang der Übertragung des Mandats
zur Terminsvertretung. Für das Ergebnis der Auslegung des Schreibens
vom 20. September 2002 ist das weitere Schreiben des Beklagten an den Kläger
vom 30. September 2002 ohne Bedeutung, weil dieses Schreiben der Abmahnung
des Klägers nachfolgte und nach der Rüge des Wettbewerbsverstoßes
nicht mehr geeignet ist, das nach seinem objektiven Erklärungsinhalt zu
beurteilende Schreiben vom 20. September 2002 durch einen Hinweis auf einen
redaktionellen Fehler zu relativieren.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. 22
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