Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

Der FOCUS kommentiert heute die Außenseitermeinung eines früher öfters gepriesenen Journalisten zum Streit um die Anrufung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:
"Als Gegenstimme versuchte sich ein Hofberichterstatter in der 'Süddeutschen Zeitung' zu profilieren. Doch Hans 'Béla' Leyendecker, wie der Beschwichtiger von Kollegen bespöttelt wird, weil er sich in jüngster Zeit häufig staatstragend wie der Regierungssprecher Béla Anda stilisierte, wird schon tags darauf im eigenen Blatt von Heribert Prantl widerlegt, einem Ex-Richter."

Auch wenn mit den Mehrwertdienste-Rufnummern rechtswidrig agiert wird, kann der Angreifer leicht scheitern: wegen fehlender Klagebefugnis. So hat das Oberlandesgericht Hamburg einem Rechtsanwalt die Befugnis abgesprochen zu klagen. Der Rechtsanwalt wollte erreichen, dass ein Netzbetreiber einem Dritten nicht mehr Fax-Abrufnummern zur Verfügung stellt. Az.: 3 U 204/03.
Hier können Sie dieses nach allen Seiten hin begründete Urteil des OLG Hamburg nachlesen.

Helmut Markwort in seinem morgen erscheinenden FOCUS-Tagebuch:
„Nach dieser Richtlinie (wie sie die dritte Kammer des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs vorgeben will) wären viele Skandale nie recherchiert und nie aufgedeckt worden. Dass Schröder, Fischer & Co. sich von ihrer Befindlichkeit und nicht von juristischen Ratgebern leiten ließen, ist in zweierlei Hinsicht kleinlich und peinlich.Sie ... brüskiereren auch die für die Entscheidung zuständige Justizministerin....Ungeniert und illoyal desavouierte der Regierungschef das Bundesverfassungsgericht, das in einer ausgewogenen Entscheidung öffentliches Interesse und Schutz der Privatsphäre klug gegeneinander abgewogen hatte. Die eigene Stimmung war ihm wichtiger als die deutsche Rechtsprechung...Verführt vom höfischen Gehabe, träumen sie davon, nur ihre Schokoladenseite zu zeigen....”.

Hier können Sie sich noch in einem Interview zur Bedeutung des Urteils der dritten Kammer des Europäischen Gerichtshofs ergänzend informieren.
Als dieses Interview in Druck ging, war noch nicht bekannt, dass das Bundeskabinett die Entscheidung an sich zieht und entgegen dem fachlichen Urteil des Bundesministeriums der Justiz beschließt, nicht die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beantragen.
Ändert die Bundesregierung ihren Beschluss nicht bis zum 24. September, stehen die Medien und die Rechtsprechung vor einer fatalen Situation:
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, welche Rechtslage der deutschen Verfassung entspricht. Das von der Entscheidung des BVerfG abweichende Urteil des EGMR stützt sich auf die Europäische Menschenrechtskonvenvention. Diese Konvention hat in Deutschland keinen Verfassungsrang, so dass sich - rein juristisch und auf den ersten Blick - zunächst überhaupt nichts ändert.
Nach der Menschenrechtskonvention ist die Bundesrepublik Deutschland jedoch verpflichtet, das Straßburger Urteil durchzusetzen. Die Medien und die deutschen Gerichte können aber, wenn überhaupt, nur durch ein Gesetz verpflichtet werden, sich entgegen der Rechtsprechung des BVerfG zu verhalten. Ein Gesetz, das die gegenteilige Entscheidung des EGMR befolgt, würde logischerweise gegen die deutsche Verfassung verstoßen (wie sich aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, insbesondere aus der Entscheidung vom 15. 12. 1999, gegen die sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. April dieses Jahres gewandt hat).
Folglich müsste erst die deutsche Verfassung geändert werden. Wie verhält es sich jedoch, wenn die für eine Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat nicht zustandekommen (zwei Drittel der Mitglieder des Bundestags und zwei Drittel der Stimmen des Bundesrats)? Will man annehmen, die im Range unter der deutschen Verfassung stehende Europäische Menschenrechtskonvention verpflichte - Mehrheiten hin, Mehrheiten her - zwingend den deutschen Bundestag und den Bundesrat, die deutsche Verfassung zu ändern?
Aus dem Urteil der dritten Kammer des EGMR ist nicht ersichtlich, dass bedacht wurde, welche Schwierigkeiten sein Urteil aufwirft. Umso dringlicher wäre, dass die Bundesregierung doch noch beantragt, die Rechtssache an die Große Kammer zu verweisen. Dies gilt umso mehr als - allgemein anerkannt - das Urteil der dritten Kammer in vielerlei Hinsicht unklar ist.
Steht es um die Medien unter diesen Umständen doch nicht so schlecht? Doch. Wer die Praxis kennt, weiß: Wer gegen Tendenzen angehen muss, verliert meist. Irgendwie gelingt es, mit der Tendenz die Rechtslage auszuhöhlen.
Man braucht nur an die aus der Begleiterrechtsprechung gewonnenen Erfahrungen zu denken:
Der „fliegende Gerichtsstand” ermöglichte es den Prominenten, in der Stadt erfolgreich zu klagen, in welcher die Gerichte erster und zweiter Instanz verfassungswidrig gegen die Medien entschieden. Es dauerte fünf Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht urteilte, diese Begleiterrechtsprechung sei verfassungswidrig. In diesen fünf Jahren waren jedoche Hunderte von Entscheidungen gegen die Medien rechtskräftig geworden und vor allem: Unzählige Beiträge wurden - zum Schaden der Kommunikationsfreiheit - von den eingeschüchterten Medien gar nicht erst veröffentlicht.
Weitere zwei Gründe, welche die Bundesregierung veranlassen müssten, doch noch die Verweisung an die Große Kammer zu beantragen, haben wir gestern an dieser Stelle erwähnt:
Inhaltlich fällt die Entscheidung zur Verweisung in die Zuständigkeit der Länder. Deshalb sollte oder darf die Bundesregierung das Urteil der dritten Kammer nicht allein aus eigener Machtvollkommenheit rechtskräftig werden lassen.
Der zweite weitere Grund: Allzu schnell wird gegen die Medien argumentiert werden, sie sollten die deutsche Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vergessen. Warum? Wenn die Europäische Menschenrechtskonvention über die Europäische Verfassung zu beachten ist, dann geht das Urteil der dritten Kammer des Straßburger Gerichts vor. Umso mehr müsste ein derart fragwürdiges und unklares Urteil doch wenigstens von der Großen Kammer überprüft werden.

Die dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkennt in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 nicht die folgenden Kernsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 12. 1999:
Diese (die Öffentlichkeit) hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen. Eine Begrenzung der Bildveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publikum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt. Ein schrankenloser Zugriff auf Bilder von Personen der Zeitgeschichte wird der Presse dadurch nicht eröffnet.
Ganz anders der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, jedenfalls dessen dritte Kammer. Siehe dazu insbesondere Nr. 76 des Urteils vom 24. Juni. Aus Nr. 76 dieses Urteils ergibt sich: Wann immer über Personen berichtet wird, sollen - so die dritte Kammer - „Artikel und Fotos” nur zulässig sein, soweit mit ihnen über diese Personen in ihren „offiziellen Funktionen” ein „Beitrag zur Debatte mit Allgemeininteresse erbracht” wird. Lediglich für Politiker will die dritte Kammer Ausnahmen zulassen. So wörtlich der an den Kanzler gerichtete „Verlegerbrief” vom 19. August 2004.
Die dritte Kammer schränkt somit - gerade anders als das BVerfG - auf die offizielle Funktion ein und erstreckt seine Erklärung neben Fotos auch noch gleich auf Artikel.
Bis zum 24. September könnte die Bundesregierung entgegen ihrer bisher Entscheidung - doch noch beantragen, dass die Rechtssache an die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verwiesen wird. Man muss bedenken: Es geht bei der Entscheidung der Bundesregierung „nur” darum, dass eine derart außergewöhnlich wichtige Frage doch an die Große Kammer verwiesen werden sollte.
Unwissenschaftlich bzw. unprofessionell verhalten sich die wenigen, die sich bislang für die dritte Kammer ausgesprochen haben. Sie erklären nicht direkt, warum sie die zitierten Überlegungen des BVerfG (Leitbildfunktion, Vorbild, Idol, Realitätsvermittlung, Steuerung der Medien durch die Prominenten) für falsch oder unerheblich halten. So zum Beispiel der Verfasser einer „Anmerkung” im neuen Heft 8/9 der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht.
Zwei Aspekte sind in der Diskussion bislang überhaupt noch nicht erwähnt, soweit bekannt auch noch nicht bedacht worden:
- Das Straßburger Urteil muss - vgl. oben - vom deutschen Gesetzgeber durchgesetzt werden. Für Pressegesetze sind jedoch die Länder, nicht der Bund zuständig. Die Entscheidung, nicht die Große Kammer anzurufen, ist deshalb inhaltlich eine Länder-Entscheidung.
- Es wird voraussichtlich nicht lange dauern, bis argumentiert werden wird: Die Europäische Menschenrechtskonvention ist in die Europäische Verfassung integriert. Sobald die Europäische Verfassung in Kraft tritt, gilt die Europäische Menschenrechtskonvention als vorrangiges Europäisches Verfassungsrecht. Damit ist das Urteil der dritten Kammer als Inerpretation der Europäischen Verfassung beachtlich.

Wenn Sie zu den Berichten über die heutige Entscheidung der Bundesregierung, nicht die Verweisung an die Große Kammer zu beantragen, das Urteil der dritten Kammer nachlesen wollen: Hier können Sie die (vom Bundesjustizministerium gefertigte) deutsche Übersetzung nachlesen und hier die englische Originalfassung. Am besten orientieren können Sie sich, wenn Sie zuerst die Ausführungen in Nr. 76 lesen. Die teilweise abweichenden Meinungen zweier Richter der dritten Kammer (die entschieden hat) finden Sie am Ende der Entscheidung.

So betitelt die neue Ausgabe - 37/2004 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Das Amtsgericht Moers hat einen Fall entschieden, den jeder eBay-Nutzer kennen sollte. Dieser Fall zeigt, wie man sich schnell in juristischen Fallstricken verfangen kann, und wie wenig Juristen auf fehlende Rechtskenntnisse von Nicht-Juristen Rücksicht nehmen.
Selbst wenn der Verkehrswert des veräußerten Gegenstandes den Preis der „Sofort-Kaufen“-Option um ein Vielfaches übersteigt, ist der Verkäufer grundsätzlich an den eingestellten Preis gebunden. Und wenn er seinen Fehler nicht juristisch gekonnt korrigiert (zum Beispiel mit einer rechtzeitigen, klaren und nachweisbaren Anfechtung), hat er verloren.
Nach den eBay-Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist jedes Einstellen eines „Sofort-Kaufen“-Artikels ein verbindliches Angebot. Zwar sind die eBay-AGB streng genommen nur zwischen eBay und Käufer sowie eBay und Verkäufer anzuwenden. Akzeptieren aber Käufer und Verkäufer diese AGB, dann sind die AGB als Auslegungsgrundlage heranzuziehen. Im vorliegenden Fall konnte der Kauf eines PKW-Anhängers für 1,00 Euro durchgesetzt werden.
Das Gericht hat dem Verkäufer nicht über den Weg einer Anfechtung geholfen, weil sich der Verkäufer auch insofern - jedenfalls aus der Sicht des Gerichts - ungeschickt verhalten hat.
Wer über eBay verkauft, tut - auch wenn es mühsam ist - gut daran, dieses Urteil des AG Moers (532 C 109/03) zu studieren.

Hier können Sie den „Verlegerbrief” einsehen: Appell, die Verweisung des Rechtsstreits an die Große Kammer zu beantragen.

An entlegener Stelle, im neuen Heft der „Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, Kurzkommentare” (16/2004), weist RA Musiol mit Recht darauf hin, dass der Bundesgerichtshof nebenbei in einem Urteil dargelegt hat:

- Die Begleitung einer absoluten Person der Zeitgeschichte zu einem gesellschaftlichen Ereignis kann ausreichen, eine minderjährige Person in den Medien ohne Einwilligung abzubilden; - jedoch nur, wenn über das Ereignis selbst berichtet wird. Nicht erforderlich ist - anders als nach der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 2004 - , dass die absolute Person der Zeitgeschichte in einer offiziellen Funktion auftritt.
- Berichte über ein gesellschaftliches Ereignis dürfen mit Fotos der absoluten Person der Zeitgeschichte in Begleitung Minderjähriger ergänzt werden.

Vgl. Sie zu diesem BGH-Urteil unsere Analyse vom 7. Mai 2004. Das Urteil des Bundesgerichtshofs, Az. VI ZR 217/03, können Sie hier nachlesen.