Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.
Sie können das Urteil hier nachlesen. Verkündet wurde es am 29. April. Az.: VI ZR 398/02. Vollständig werden Urteile - von allen deutschen Gerichten - aus unterschiedlichen Gründen meist erst später bekanntgegeben. Oft sind die Urteile noch nicht - mit Begründung - vollständig geschrieben, wenn sie verkündet werden.
Dieses BGH-Urteil kann in der Praxis insgesamt als Muster für die Abrechnung von Unfallschäden nach fiktiven Reparaturkosten dienen, - also für Fälle, bei denen der Geschädigte sein Fahrzeug nicht reparieren lässt.
Der Sachverhalt war auffällig: Beschädigt wurde ein erstmals am 30. Juli 1993 zugelassener Porsche 968 Cabrio. Auf den Geschädigten wurde das Fahrzeug erst am 6. April 2000 zugelassen. Schon am 18. Mai 2000 ereignete sich der Unfall. Am 29. Mai, also gleich elf Tage später hat der Geschädigte das Kfz weiterverkauft, und zwar unrepariert.
Der Bundesgerichtshof hat sich - anders als das Berufungsgericht - durch kein Gegenargument der Versicherungsgesellschaft überzeugen lassen. Er erkannte die von einem „Porsche-Zentrum” geschätzten 30.683,30 DM Reparaturkosten voll als Schaden an.
Wer einen Unfall erlitten hat und sein Kfz gleich unrepariert weiterveräußern möchte, sollte sich als erstes die gesamte Urteilsbegründung durchlesen, damit ihm nicht doch ein Fehler unterläuft. Was alles von Anfang an zu beachten ist, beschreibt dieses Urteil anschaulich.
Das Landgericht München I hatte es mit einem typischen Fall zu tun, Az.: 9 HK 0 2381/03:
Um sich gegen unangenehme Nachrichten zu wehren, schaltete eine GmbH die Telefax-Rufnummer ab und nahm die Post nicht an. Gegen die GmbH wurde postwendend geklagt und die GmbH musste sämtliche Verfahrenskosten tragen, obwohl sie im Gerichtsverfahren den Anspruch sofort anerkannte.
In § 93 der Zivilprozessordnung ist zwar etwas davon zu lesen, dass „dem Kläger die Prozeßkosten zur Last fallen,wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt”. Aber - die Ausnahme: Die GmbH hat „zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben”. Das LG München I formulierte auch noch gleich allgemein, grundsätzlich für alle Rechtsbereiche anwendbar:
Wer sich so verhält, „muss sich gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als wenn die Erklärung rechtzeitig zugegangen wäre”.
Hier können Sie das Urteil nachlesen.
Die Marke „Focus” war schon etliche Male für unterschiedliche Klassen vor Gründung des Nachrichtenmagazins im Register eingetragen. Eine Verwechslungsgefahr bestand nicht, weil die Zeichen damals allesamt schwach waren. Erst durch das Nachrichtenmagazin wurde die Marke bekannt. Seit Jahren wird nun immer wieder versucht, mit prioritätsälteren Focus-Marken wegen angeblicher Verwechslungsgefahr gegen die bekannte Marke vorzugehen. Teilweise bieten die Angreifer ihre ältere Marke gegen hohe Beträge zum Kauf an, so dass der Eindruck entstehen kann, es werde nur aus finanziellen Gründen rechtlich gestritten.
In den neuesten Verfahren wandte sich ein Unternehmen mit seiner prioritätsälteren Marke „Focus” gegen vier neue Marken, die zugunsten des Focus-Verlages eingetragen worden sind; nämlich gegen die Marken: „Im FOCUS: Fakten”, „Im FOCUS: Kliniken im Test”, „Im FOCUS: Onkologie” und „Im FOCUS: Erfolg”. In allen vier Verfahren wurde zugunsten der Focus Magazin Verlag GmbH entschieden, weil eben nur die Focus Magazin Verlag GmbH die Marke stark gemacht hat.
Sämtliche Urteile lauten auch in der Begründung gleich. Das Urteil zu „Im FOCUS: Kliniken im Test” können Sie hier als Muster nachlesen.
Das Oberlandesgericht Naumburg hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entgegen der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs geurteilt. Az.: 1 U 42/04; soeben veröffentlicht im NJW-Rechtsprechungsreport 10/2003. Gestritten wurde um eine Anwaltseinladung zu einer Informationsveranstaltung. Mit keinem Wort setzt sich das Urteil des OLG Naumburg mit der entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander.
Die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ist in den Fachzeitschriften veröffentlicht worden, welche die Richter auf jeden Fall lesen müssten. Vor allem: Selbst wer Zeitschriften nur oberflächlich durchsieht, achtet doch wenigstens auf die Entscheidungen, die seinen Zuständigkeitsbereich betreffen. Zudem wurden diese Entscheidungen in den Fachzeitschriften besprochen.
Es ist für einen zuständigen Juristen geradezu ein Kunststück, sich nicht daran zu erinnern, dass „doch da zu diesem Thema etwas entschieden worden ist”. Die zuständigen Richter des OLG Naumburg haben sich jedoch offenbar allesamt nicht erinnert.
Nicht genug: Das OLG Naumburg hätte die entgegenstehende Rechtsprechung mühelos in Sekunden (nicht Minuten) online ermitteln können. Im Internetauftriit des BGH erscheint die hier wesentliche BGH-Rechtsprechung gleich auf Anhieb, wenn das nächstliegende Suchwort, nämlich: „Informationsveranstaltung” eingegeben wird.
Mit richterlicher Unabhängigkeit haben handwerkliche Fehler dieser Art selbstverständlich nichts zu tun. Richter dürfen nicht nachlässiger arbeiten als andere Juristen. Man kann sich auch nicht recht vorstellen, dass andere Oberlandesrichter derart mangelhaft arbeiten. Rechtsanwälte, deren Leistungen in Rechtsanwaltskanzleien überprüft werden, müssten entlassen werden, wenn sich kein besserer Leistungsstandard sicherstellen liesse. Ob die Anwälte im Naumburger Verfahren auf die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen haben, ergibt sich aus dem Urteil nicht.
Wer annimmt, dass sich Juristen nun in einem Sturm der Entrüstung empörten und nach Konsequenzen fragten, kennt sich im Rechtsleben nicht aus. Die bis jetzt „schärfste” Kritik ist ein Satz wie: „Allerdings hat sich die neue Rechtsprechung des BGH und des BVerfG anscheinend immer noch nicht bei allen Oberlandesgerichten herumgesprochen, wie ein Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren des OLG Naumburg zeigt”(Huff, mit Recht einer der angesehensten und einflussreichsten Juristen Deutschlands, in „Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht - Kurzkommentare”, Ausgabe 9/2003).
Der zitierte Kommentar in EWiR schließt freundschaftlich kollegial: „Mittlerweile ist die betroffene Kanzlei im Hauptsacheverfahren, und es ist zu hoffen, dass sich die Richter dann etwas mehr Zeit für eine Auseinandersetzung mit den Fragen der Anwaltswerbung nehmen”.
Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs dokumentiert, wie schnell Unternehmen über den Gesetzeswortlaut hinaus in Wettbewebsregelungen geraten können. Az.: III ZR 196/02. Der BGH hat die §§ 74 ff. des Handelsgesetzbuches zugunsten eines Subunternehmers, der nach Ansicht des Senats die Stellung eines wirtschaftlich abhängigen freie Mitarbeiters einnahm, entsprechend angewandt.
Der Subunternehmer, ein EDV-Fachmann mit besonderen Programmkenntnissen, hatte gegen ein für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses vereinbartes, zu seinen Gunsten sogar eng formuliertes Wettbewerbsverbot verstoßen. Eine Karenzentschädigung war dem Subunternehmer in seinem Vertrag nicht zugestanden worden.
Der BGH nahm an, dass im entschiedenen Falle der Subunternehmer vergleichbar schutzwürdig ist wie ein kaufmännischer Angestellter. Der Subunternehmer konnte zwar Zeit und Ort seiner Arbeit frei bestimmen, und er wurde nur auf Stundenbasis entlohnt. Dem BGH reichte jedoch zur Gleichstellung aus: Der Subunternehmer wurde schon seit drei Jahren so gut mit Aufträgen ausgelastet, dass er Auftäge anderer Unternehmen praktisch nicht mehr annehmen konnte.
Die Konsequenz in solchen Fällen ist klar: § 74 HGB verlangt, dass dem kaufmännischen Angestellten eine Karenzentschädigung vertraglich zugesagt wird. Fehlt eine solche Zusage, darf der Betroffene nach seiner Wahl entweder das Wettbewerbsverbot negieren oder die Mindestkarenzentschädigung verlangen. Der vom BGH gleichgestellte Subunternehmer durfte folglich entgegen dem ihm im Vertrag auferlegten Verbot gleich ab Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Konkurrenz arbeiten.
Der „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz” macht's möglich. Die aus früheren Urteilen bekannte „Interessenabwägung” kehrt in diesem Urteil wieder. Der BGH - Az.: I ZR 276/99 - stellte in einem Urteil fest:
Die beklagte Brauerei führt zwar irre, wenn sie sich „Klosterbrauerei” nennt und ihr Bier als „Kloster Pilsner” bezeichnet. Diese Irreführung kann durchaus, so der BGH, als verstecktes Qualitätsmermal den Verbraucher veranlassen, sich für dieses Bier zu entscheiden. Die klagende Benediktiner-Abtei, die seit jeher das bekannte „Andechser” braut, hat auch nie Anlass zu der Annahme gegeben, dass sie mit den Irreführungen einverstanden ist. Aber: „Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zieht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv für das Irreführungsverbot heran, wenn das Verbot eine Beeinträchtigung des Handelsverkehrs nicht zu rechtfertigen vermag”. Dieser Grundsatz ist - so der BGH weiter - hier anzuwenden, weil „die Rechtsvorgängerin bzw. die Beklagte seit 1868 den Begriff 'Kloster' als Bestandteil einer Marke verwendet” und dieser Besitzstan erhalten werden soll.
Anmerkung: Die BGH-Richter wägen nach ihren eigenen Wertvorstellungen ab. Sie gehen nicht darauf ein, wessen Wertvorstellungen erheblich sind. Rechtsmethodisch und rechtssoziologisch müsste jedoch zuerst geklärt werden, auf wessen Wertvorstellungen abzustellen ist, meinen wir. Wir nehmen an, dass die Bedeutung der pluralistischen Wirklichkeit für das Recht als Problem entdeckt werden muss. Wir erörtern diese Problematik in unseren Abhandlungen zur Bedeutung der pluralistichen Wirklichkeit für das Recht, von denen wir hier in der Bibliothek unseres Internetauftritts, Rubrik: Rechtstheorie, einige aufführen.
In der Praxis wird dem einen oder anderen Anwalt mindestens einmal pro Monat auffallen, wie sorglos Optionen vereinbart werden. Ein neues Urteil des OLG München dokumentiert, wie einfach es ist, Vertragspartner mit Optionsvereinberungen hereinzulegen. Der Gutgläubige meint, er habe eine wertvolle Option aushandeln können; in Wirklichkeit steht jedoch nur nutzlos das Wort „Option” auf dem Papier. In einem Mietvertrag war vereinbart worden:
„Dem Mieter wird eine Option für eine Verlängerung des Mietverhältnisses um längstens fünf Jahre bei gleichzeitiger Neufestsetzung der Miete eingeräumt”.
Nach dem Urteil ist diese Vereinbarung so anzuwenden, dass keine Option besteht, wenn sich die Parteien über den künftigen Mietzins nicht einigen.
Pikant am Rande: Das Oberlandesgericht München hat dahin tendiert, die Options-Vereinbarung anders auszulegen als das erstinstanzliche Gericht. Aufgrund des seit dem 1. Januar 2002 geltenden Reformgesetzes zur Zivilprozessordnung ist jedoch im entschiedenen Fall die Auslegung durch die erste Instanz verbindlich, also nicht die Auffassung des übergeordneten Oberlandesgerichts. Erstinstanzliches Gericht war das Landgericht München I.
Das Az. des LG München I-Urteils: 24 0 11259/01, das Az. des OLG München-Urteils: 21 U 4945/02.
Diese Gefahr, dass Optionen schlecht vereinbart werden, besteht selbstverständlich nicht nur für Mietverträge, sondern für alle Verträge mit Optionsklauseln.
Nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C 320/01) müssen Arbeitgeber, wenn Sie sich mit der vorfristigen Beendigung der Elternzeit einverstanden erklären, auf eine Überraschung einstellen:
Wenn sich heute ein Arbeitgeber mit der vorfristigen Rückkehr der Arbeitnehmerin einverstanden erklärt, darf sie dem Arbeitgeber sofort nach dem Arbeitsbeginn eröffnen:
„Ich bin schon seit einiger Zeit wieder schwanger und kann wegen der besonderen Schutzbestimmungen für Schwangere nur noch ganz eingeschränkt tätig sein. Dass ich wieder schwanger und nur sehr eingeschränkt einsatzfähig bin, wusste ich, als ich Sie um Ihre Zustimmung bat. Um die vorfristige Beendigung habe ich Sie nur gebeten, um mich finanziell besser zu stellen.”
Der Arbeitgeber kann seine Zustimmung nicht erfolgreich anfechten. Er darf die Arbeitnehmerin auch nicht, bevor er zustimmt, fragen, ob sie schwanger ist. Fragt er dennoch, darf die Arbeitnehmerin lügen.
Der EuGH begründet seine Rechtsprechung damit, dass sie erforderlich sei, um Arbeitnehmerinnen nicht wegen ihres Geschlechts zu diskriminieren.
Heute um 11:00 Uhr findet der freundin Live-Video-Chat zum Thema „Einbruch: Checkliste - Was ist jetzt zu tun?” statt. Sie können vorab noch Fragen per E-Mail stellen und ab 11 Uhr live mitchatten. Es referiert Rechtsanwalt Kilian Ackermann.
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